Atomkonflikt muss aufgearbeitet werden – Eine Entria-Tagung will „Aufarbeitung der Vergangenheit“

Atomkonflikt muss aufgearbeitet werden – Eine Entria-Tagung will „Aufarbeitung der Vergangenheit“

Wer Fehler in der Vergangenheit und gesellschaftliche Konflikte lösen will, der muss sich mit den Gründen und Ereignissen auseinandersetzen, die sie verursacht haben. Das fordern viele Organisationen aus der Anti-Atom-Bewegung mit Blick auf den Einstieg und die Nutzung der Atomenergie, die vielfach mit Gewalt und Kriminalisierung durch staatliche Stellen einherging und bei der wirtschaftliche Interessen über Bürgerinteressen gestellt wurden. Die Freie Universität Berlin und das Forschungsprojekt ENTRIA widmen diesem Thema morgen und Samstag eine Tagung unter dem Titel „Aufarbeitung der Vergangenheit – Auseinandersetzungen um die Nutzung der Kernenergie und insbesondere den Umgang mit hochradioaktiven Abfällen“. Da wird es also auch um Gorleben als Symbol der Anti-Atom-Proteste gehen und auch um die neu gestartete Suche nach einem „Endlager“ für den Atommüll. Warum braucht es eine Aufarbeitung dieser bis in die Gegenwart reichenden Geschichte? (Foto: Achim Brunnengräber, rechts im Bild)

Die FUU und Entria informieren hier über die Tagung am 28.10. im Henry Ford Bau in Berlin. Das Programm mit Themen und Referenten etc. hier als Dokumentation:
„Aufarbeitung der Vergangenheit“ –  Auseinandersetzungen um die Nutzung der Kernenergie und insbesondere den Umgang mit hochradioaktiven Abfällen
Datum: 27.10.17, 11-18.00 Uhr, 28.10.2017, 9-12.00 Uhr, Ort: FU Berlin, Henry-Ford-Bau
In die „Endlager-Governance“ der Bundesrepublik Deutschland ist Bewegung gekommen. Die Kommission „Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ (2014-2016, kurz: Endlager-Kommission) und die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Atomausstiegs (2015 bis 2016; kurz: Finanzierungs-Kommission) wurden eingerichtet, ebenso ein Nationales Begleitgremium (NBG) für die Standortsuche. Darüber hinaus wurden Gesetze erlassen und die  Zuständigkeiten neu verteilt. Auch  die Kommunikation zwischen Entscheidungsträgern und der Anti-Atom-Bewegung ist dabei sich zu verändern. Auffallend an den vielfältigen Prozessen der Institutionalisierung ist, dass alle Bemühungen um eine erfolgversprechende Standortsuche im wahrsten Sinne des Wortes von der Vergangenheit eingeholt werden. Die jahrzehntelange Polarisierung, die den „Atomkonflikt“ in Deutschland zwischen dem Staat und der Nuklearindustrie auf der einen und der Anti-Atom- Bewegung auf der anderen Seite prägte, wirkt noch heute in alle auch noch so versöhnlich klingenden Bemühungen eines „Neuanfangs“ hinein. Immer wieder – bei Veranstaltungen wie in Publikationen – wird daher die „Aufarbeitung der Vergangenheit“ und der Konflikte um die Nutzung der Kernenergie im Allgemeinen und der Frage der Endlagerung im Speziellen gefordert. Bei der Tagung „Alles falsch gemacht“ hat sich etwa die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg Anfang 2016 dem Thema gewidmet. Und auch das NBG fordert, sich mit den historisch gewachsenen Ursachen des Misstrauens der Bevölkerung gegenüber den staatlichen Institutionen auseinander zu setzen.
Auf der geplanten Tagung, die das Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) der FU Berlin organisiert, sollen mit relevanten Akteuren die Themenfelder und Formen der inhaltlichen Auseinandersetzung identifiziert und diskutiert werden, die zu einer „Vergangenheitsbewältigung“ beitragen könnten. Im Rahmen der Tagung sollen bisherige und aktuelle Untersuchungen und Prozesse zur Aufarbeitung der Konflikte analysiert werden und neue Zugänge und Möglichkeiten der Kooperation mit der Zivilgesellschaft identifiziert werden. Am Samstag schließt die Tagung mit einer Besprechung und eventuell konkreten Planung zur Operationalisierung der identifizierten Zugänge in Kooperation mit Gruppe der „Aufarbeitung“, einem lockeren Zusammenschluss von Akteuren und Wissenschaftler*innen, die sich seit vielen Jahren mit der Thematik befassen.
Freitag, 27.10.
11.00 Uhr Impulsvorträge: Warum Aufarbeitung?

  • Achim Brunnengräber, Daniel Häfner (beide FFU):  Begrüßung, kurzer Hintergrund der Tagung
  • Michael Müller (Endlager-Kommission): Warum ist eine Aufarbeitung notwendig?
  • Klaus Töpfer (Nationales Begleitgremium): Eine Aufarbeitung aus der Sicht des NBG.
  • Gabi Haas (Gorleben Archiv): Erfolge und Grenzen der Dokumentation der Geschichte der Anti-Atom- Bewegung
  • Lutz Mez (FU Berlin): Mangelnde Prognosefähigkeiten der Wissenschaft? Zum Streit unterschiedlicher Deutungssysteme in der Energiepolitik.
  • Jan-Henrik Meyer (Universität Kopenhagen): HoNESt – ein Zwischenstand: Inter- und transdisziplinäre Erfahrungen und Erkenntnisse zur Geschichte von Atomkraft und Gesellschaft in 20 Ländern
  • Ulrike Donat (Rechtsanwältin): Die Demokratiefrage: Umgang mit Kritik und Fehlern – was fehlt? Asta von Oppen (Gruppe Aufarbeitung): Überlegungen und Projektansätze für eine Aufarbeitung

13.00 – 14.00 Uhr Mittagspause
14.00 Uhr Drei parallele Arbeitsgruppen: Was aufarbeiten?

  • Staat (Legislative, Judikative, Exekutive) vs. Zivilgesellschaft – Moderation: Ulrich Smeddinck (TU Braunschweig)
  • Rolle der Wissenschaft – Moderation: Peter Hocke (ITAS Karlsruhe)
  • Rolle der Wirtschaft / politische Ökonomie – Moderation: Achim Brunnengräber (FFU, FU Berlin)

15.30 Uhr Kaffeepause
16.00 – 17.30 Uhr Plenumsdiskussion: Wie aufarbeiten?
Zusammentragen der Ergebnisse und Diskussion möglicher Methoden und Strukturen der Aufarbeitung.
Moderation: Tamara Uh-Tückardt
17.30 Uhr Schluss
Samstag 28.10.
9.00 – 12.00 Uhr: Mögliche Operationalisierung von Projekten zur Aufarbeitung: Wer, mit wem und wie?

  • Versuch einer Ergebniszusammenfassung, Eruieren von Kooperationsmöglichkeiten, Vereinbarung weiterer Schritte

Eine Anmeldung zur Tagung ist (u.a. für das Catering) erwünscht bei: doerte.themann@fu-berlin.de Für inhaltliche Fragen wenden Sie sich bitte an Daniel Häfner (FFU): daniel.haefner@fu-berlin.de

Dirk Seifert

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