Suchverfahren Atommülllagerung: Datenerhebung angelaufen – Risiken der Neuordnung
Das neue Suchverfahren für ein dauerhaftes Atommülllager für hochradioaktive Abfälle hat mit der bundesweiten Datenerhebung über geologisches Wissen begonnen. Im ersten Schritt, den die neue Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) nach dem Standortauswahlgesetz derzeit betreibt, geht es darum, Ausschlussgebiete zu ermitteln. Damit sind entsprechend den im StandAG genannten Anforderungen diejenigen Gebiete gemeint, die für das gesuchte „Endlager“ nicht in Frage kommen. Die Daten von Landesbehörden und anderen geologischen Diensten sind laut einer PM der BGE eingetroffen und werden nun aufbereitet und ausgewertet. Der gesamte Atommüllbereich wird derzeit unter staatlicher Verantwortung neu aufgebaut. Die Sorge dabei: Das Bundesumweltministerium als Oberregulierer könnte in die Facharbeit der neuen Gesellschaften eingreifen.
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Offen ist, wie lange es brauchen wird, um die Datenerhebung für die „Endlager“suche jetzt vollständig durchzuführen und die Auswertung vorzunehmen. Die BGE teilt in der PM mit: „Viele Behörden haben beispielsweise zunächst Informationen darüber gegeben, welche Daten in ihren Archiven und Datenbanken vorhanden sind und in welcher Form sie vorliegen.“ BGE-Chefin Heinen-Esser sagte weiter: „Wir sind allerdings etwas besorgt, dass viele Daten nur analog, also in Papierform, vorliegen.“ Denn das könnte zu zeitlichen Verzögerungen führen, befürchtet die BGE-Geschäftsführerin. Gleiches gilt für die doch zum Teil unterschiedlichen Qualitäten der Datenlieferungen.“ (Über den Stand der Dinge berichtet unter anderem auch IWR.)
Zum Verfahren und zur Rolle der BGE heißt es in dem Text: „Am 25. April 2017 wurde der BGE per Gesetz die Vorhabenträgerschaft für das Standortauswahlverfahren übertragen. Das Gesetz sieht vor, in einem ersten Schritt die bei den zuständigen Behörden des Bundes und der Länder vorhandenen Daten auszuwerten. Für die anschließende Anwendung der Mindestanforderungen und geowissenschaftlichen Abwägungskriterien an einen möglichen Standort müssen weitere Daten bei den Behörden abgefragt werden. Dazu zählen auch Daten zu Vorkommen der potentiellen Wirtsgesteinsformationen Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein in Deutschland, wie z.B. Lage, Mächtigkeit und Erstreckung. Die unter Anwendung der gesetzlich festgelegten Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und geowissenschaftlichen Abwägungskriterien ermittelten Gebiete werden in einem Teilgebiete-Bericht ausgewiesen. Es werden auch diejenigen Gebiete ausgewiesen, für die aufgrund unzureichender Datengrundlage kein begründeter Ausschluss möglich ist. Erster Meilenstein im Standortauswahlverfahren ist dann der Zwischenbericht über die Teilgebiete, die günstige geologische Voraussetzungen für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle erwarten lassen.“
Außerdem ist die BGE nunmehr Betreiber der Schachtanlage Asse II sowie der Endlager Konrad und Morsleben, die sie nach der Neuordnung im StandAG vom Bundesamt für Strahlenschutz übernommen hat. Zu den weiteren Aufgaben zählt die Suche nach einem Endlagerstandort zur Entsorgung der in Deutschland verursachten hochradioaktiven Abfälle auf der Grundlage des im Mai 2017 in Kraft getretenen Standortauswahlgesetzes. Geschäftsführer sind Ursula Heinen-Esser (Vorsitzende), Dr. Ewold Seeba (stellvertretender Vorsitzender), Prof. Dr. Hans-Albert Lennartz (kaufmännischer Geschäftsführer) und Dr. Thomas Lautsch (technischer Geschäftsführer).
Risiken der Neuordnung
Die gesamte Atommüllentsorgung ist in Deutschland neu geregelt worden und die Atomkonzerne per Einmalzahlung von der bisherigen Verantwortung befreit. Schrittweise wird jetzt der Atommüllbereich in staatlicher Verantwortung unter dem Dach des Bundesumweltministeriums neu organisiert. Die BGE, aber auch das neue Bundesamt für kerntechnische Entsorungssicherheit (BfE) und die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) sind dem BMUB untergeordnet. Welche Probleme bzw. Risiken das mit sich bringen kann, ist in dem Blog „Endlagerdialog“ am Beispiel Morsleben bereits Thema. Die Sorge wächst, dass nicht die zuständigen Bundesgesellschaften eigenständig ihre Arbeit erledigen, sondern das BMUB Entscheidungen an sich zieht und sich damit möglicherweise politisch in die Facharbeit einmischt.
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Malte Kreutzfeld hat jüngst in der Taz einen umfangreichen Artikel zur Neuordnung und den neuen staatlichen Institutionen veröffentlicht. Unter dem Titel „Jobs für die Ewigkeit“ stellt der die neuen Strukturen dar und verweist auf diverse Konflikte und Probleme, die diese Neuordnung mit sich bringt. Er verweist auf die Probleme, die es mit der Trennung zwischen dem neuen BfE von dem bisher zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gibt und nennt als Beispiel für Interessenskonflikte das Beispiel des Zentralabteilungsleiters im BMUB, Ewold Seeba, der gleichzeitig Geschäftsführer der ihm nachgeordneten BGE ist: „Denn die zuständige Zentralabteilung des Ministeriums leitet bisher Ministerialdirektor Ewold Seeba, ein freundlicher, weißhaariger Beamter, der schon unter diversen SPD-Ministern gedient hat. Und seit August 2016 ist er zusätzlich zu seiner Leitungsfunktion im Umweltministerium auch stellvertretender Geschäftsführer der BGE. Vor „Interessenverquickungen“ warnt darum Hubertus Zdebel, Atomexperte der Linken im Bundestag und als solcher Mitglied im Aufsichtsrat der BGE: „Es kann doch nicht sein, dass sich ein Geschäftsführer als Ministerialbeamter quasi selbst Aufträge erteilt und sich selbst kontrolliert.““ Laut Mitteilung aus der BGE hat Seeba inzwischen seinen Job im BMUB aufgegeben.
Allerdings schreibt Kreutzfeld: „Tatsächlich aber war die Rollenverteilung offenbar nicht immer ganz klar: E-Mails, die die taz einsehen konnte, zeigen, dass Schreiben an die BGE-Geschäftsführung schon mal vom Ministerium beantwortet wurden. Als es im September beispielsweise Streit über das Verfahren zur künftigen Raumbelegung gab, verlangte Seebas Ministeriumsabteilung vom Bundesamt für Strahlenschutz, Seebas BGE „die entsprechende Unterstützung in dem erbetenen und erforderlichen Umfang kurzfristig zukommen zu lassen“.“
Auch über die Probleme in Sachen Personal berichtet Kreutzfeld in dem Text. Hier geht es einerseits um die Aufteilung bzw. Umverteilung ehemaliger BfS-MitarbeiterInnen und andererseits darum, dass dringend neues Personal für die neuen Behörden gesucht wird, um die neuen Aufgaben erledigen zu können. Hinzu kommt z.B. noch bei den Zwischenlagern für hochradioaktive Abfälle, die bislang von der Atomindustrie betrieben wurden, wie deren Personal künftig in eine staatliche Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung überführt wird.
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