Konzerne, Schiedsgerichte, Moneten: Bekommt Vattenfall für marode Reaktoren 5,7 Mrd. Euro Schadensersatz?
In den nächsten sechs Wochen wird das internationale Schiedsgericht „International Centre for Settlement of Investment Disputes“ (ICSID) im Rahmen der Energiecharta entscheiden, ob der Vattenfall-Konzern für die Stilllegung seiner bereits seit 2007 weitgehend abgeschalteten maroden Atomreaktoren Brunsbüttel und Krümmel Schadensersatz von inzwischen über fünf Milliarden Euro von den deutschen SteuerzahlerInnen erhält. Das meldet die Welt mit einer entsprechenden Bestätigung durch die Bundesregierung. Als schwedisches Unternehmen hatte Vattenfall nach der Katastrophe von Fukushima und der endgültigen Stilllegung der Schrottreaktoren in Brunsbüttel und Krümmel zusätzlich zu einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht auch das internationale Schiedsgericht in Washington eingeschaltet. Obwohl das BVerfG die Klage von Vattenfall angenommen hatte, hielt der Konzerne seinen Einspruch in Washington aufrecht.
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Vattenfall verlangt einen Schadensersatz von rund 4,7 Mrd Euro von der Bundesrepublik. Samt Zinsen und Anwaltskosten beläuft sich die Summe auf inzwischen rund 5,7 Mrd Euro. Der Welt sagte eine Vertreterin des Bundesumweltministeriums: „Für eine Entscheidung im ICSID-Schiedsverfahren ist das erste Quartal 2018 genannt worden“.
Das BVerfG hatte im Dezember 2016 sein Urteil über einen Schadensersatz der Atomkonzerne RWE, E.on und Vattenfall veröffentlicht und in geringem Umfang den Unternehmen Recht gegeben. Bis Ende Juni 2018 muss daher im Bundestag eine entsprechende Regelung zum Schadensersatz verabschiedet werden. Wie das erfolgen wird, hat das Bundesumweltministerium bislang nicht mitgeteilt. Auf eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) teilte das BMUB allerdings mit, dass es keine Laufzeitverlängerung für die Reaktoren geben wird, sondern wohl eine finanzielle Regelung über diejenigen Strommengen, die laut Urteil in eingeschränktem Umfang entschädigt werden müssen.
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Trotz der Anerkennung der Klageberechtigung für den schwedischen Konzern hat Vattenfall seine Klage in Washington nicht zurück gezogen. Internationale Schiedsgerichte für Investitionsschutz, wie sie auch in internationalen Handelsabkommen immer wieder auftauchen, stärken die Konzerne gegenüber den Regierungen einzelner Staaten weiter. Ob Vattenfall als Unternehmen in einem EU-Staat überhaupt in Washington klageberechtigt ist, hatte selbst die EU-Kommission angezweifelt.
Vattenfall hatte bereits in Sachen Genehmigung des Kohlekraftwerks Moorburg die Bundesrepublik vor das internationale Schiedsgericht in Washington gezerrt. Obwohl von „Gerichten“ die Rede ist, tagen diese Schiedsgerichte meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Auf die „Richter“ verständigen sich Kläger und Beklagte. Die „Urteile“ oder Vergleiche, die beim ICSID verhandelt werden, bleiben meist – wie im Fall Vattenfall/Moorburg gegen Bundesrepublik Deutschland – geheim.