Uranfabriken stilllegen – Atomausstieg voranbringen – Anhörung im Bundestag
Die AKWs in Deutschland werden nach und nach abgeschaltet. Die Uranfabriken in Lingen und Gronau, die rund ein Drittel des Weltmarkts mit Brennstoffen versorgen, dürfen aber bislang ungestört weiter am atomaren Wahnsinn verdienen. Für die CDU/CSU sowie FDP und AfD ist das total normal, die SPD weiß nicht so ganz genau, ob das gut oder schlecht ist. Für die Stilllegung votieren klar und eindeutig die Bundestagsfraktionen DIE LINKE und Bündnis90/Die Grünen. Am Mittwoch geht es im Umweltausschuss bei einer öffentlichen Anhörung um die Vorbereitung einer rechtlich möglichen Stilllegung der Uranfabriken per Atomgesetz – oder darum, dass Deutschland weiterhin im weltweiten Uranhandel als starker Partner im Spiel bleibt! Besonders brisant ist die Uranfabrik Gronau. Technisch könnte hier waffenfähiges Uran hergestellt werden.
- Anti Atom Initiativen nehmen zur Stilllegung der Uranfabriken hier Stellung (PDF, siehe unten auch die PM). Auch der Friedesnobelpreisträger ICAN äußert sich zur Sache (PDF). Der Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel (Die Linke) informiert hier, Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) hier.
Bemerkenswert ist die Position, die im Sinne des Auswärtigen Amtes und quasi „staats-friedenspolitisch“ von Friedrich Däuble (PDF), dem ehemaligen Botschafter und Ständigen Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei dem Büro der Vereinten Nationen und bei anderen internationalen Organisationen in Wien, vorgetragen wird. Däuble begründet den weiteren Betrieb insbesondere der Urananreicherungsanlage der URENCO in Gronau vor allem mit der Rolle Deutschlands in der Atom-Weltpolitik. Für die vermeintliche Sicherheit der Atomenergie und vor allem mit Blick auf Risiken der Verbreitung von Atomwaffen hält Däuble deutsches Knowhow und damit URENCO für nicht ersetzbar. Paradebeispiel dafür seien die Verhandlungen mit dem Iran gewesen. Aber auch in Sachen Nordkorea, so Däuble, könnte das relevant sein: Nur weil Deutschland über dieses wichtige Wissen in Sachen atomarer Spitzentechnologie verfügte, habe das Land einen Sitz in einem wichtigen Entscheidungsgremium der IAEO, des 35 Staaten umfassenden sog. Gouverneursrates. „Wir sind eines von 10 ständigen Mitgliedern dieses Entscheidungsgremiums. Eine solche ständige Mitgliedschaft steht den technologisch führenden („technically most advanced“) Staaten zu“ und seit „unserem – richtigen und notwendigen – Ausstieg aus der Atomkraft wird über unseren ständigen Sitz diskutiert“. Deshalb: „Unsere Spitzenposition in der Anreicherungstechnologie ist unser wichtigstes und wirksamstes Argument, um unseren Anspruch auf einen Gouverneursratssitz aufrecht zu erhalten.“
Nur wenn wir hier mitreden, können wir auch über die sichere Nutzung der Atomenergie in der Welt mitreden, sagt Däuble. Und zustimmen würde ihm vermutlich nicht nur der Ministerpräsident Armin Laschet, CDU, der neulich mit eben solchen Argumenten gegen die Schließung der URENCO in Gronau eintrat.
- Weiter deutsche Uranexporte? Kurswechsel der Bundesregierung zur Sicherheitsbewertung der AKW Tihange 2 und Doel 3
- Die Atombombe als Option der frühen Bundesrepublik
Also: Weiter mitmischen im weltweiten Uranhandel mit URENCO (und Lingen), damit wir Deutsche mal unbedingt mitreden können? Eine einfache Frage: Könnten Großbritannien und die Niederlande, beide an der URENCO beteiligt, das nicht ebensogut erledigen? Mal abgesehen von dem Umstand, dass in dieser Logik am Ende auch der Betrieb neuer AKWs in Deutschland gerechtfertig wäre – nicht wegen Strom oder Bomben, sondern wegen der weltweiten Sicherheit! Klare Sache.
Am 17. Oktober von 11 bis 13 Uhr wird der Umweltausschuss des Deutschen Bundestags aus Anlass der Anträge der Opposition eine öffentliche Anhörung durchführen.
Dazu sind die folgenden Experten eingeladen (Stand: 28. September 2018):
- Dr. Stefan Wiesendahl, Rechtsanwalt
- Friedrich Däuble, Ehemaliger Botschafter und Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei dem Büro der Vereinten Nationen und bei anderen internationalen Organisationen in Wien
- Holger Bröskamp, Ehemaliger Geschäftsführer der GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH
- Dr. Dörte Fouquet, Rechtsanwältin
- Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Rechtsanwalt
- Dipl.-Phys. Jan-Christian Lewitz, LTZ Consulting GmbH
- Dr. Herbert Posser, Rechtsanwalt
- Dr. Ulrich Wollenteit, Rechtsanwalt
- Univ.-Prof. Dr. Joachim Wieland, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer
Öffentliche Anhörung zu folgenden Vorlagen:
- Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes, BT-Drucksache 19/964
- Antrag der Fraktion DIE LINKE., Stilllegung der Uranfabriken Gronau und Lingen – Exportverbot für Kernbrennstoffe, BT-Drucksache 19/2520
Vom Server des Bundestags folgende Stellungnahmen:
- 20. Sitzung am Mittwoch, 17. Oktober 2018, 11 Uhr – öffentlich
- 20. Sitzung – Stellungnahme von Univ.-Prof. Dr. Joachim Wieland, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer
- 20. Sitzung – Stellungnahme von Holger Bröskamp, ehemaliger Geschäftsführer der GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH
- 20. Sitzung – Stellungnahme von Dr. Herbert Posser, Rechtsanwalt
- 20. Sitzung – Stellungnahme von Dr. Stefan Wiesendahl, Rechtsanwalt
- 20. Sitzung – Stellungnahme von Friedrich Däuble, ehemaliger Botschafter und Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei dem Büro der Vereinten Nationen und bei anderen internationalen Organisationen in Wien
Dokumentation – die PM der AntiAtomInitiativen:
Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau Arbeitskreis Umwelt (AKU) Schüttorf SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster AntiAtom Bonn Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) IPPNW – Internationale Ärzte zur Verhütung eines Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung
Gronau/Lingen/Bonn, 10. Oktober 2018
Pressemitteilung
BMU-Prüfung zu Urananreicherung/Brennelementefertigung: Morgen (11.10.2018) beginnt Ressortabstimmung in Berlin
- 10.2018: Bundestags-Anhörung zu Stilllegung von Uranfabriken
In die Debatte um die Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau und der Brennelementefabrik Lingen sowie um einen entsprechenden Exportstopp für angereichertes Uran und Brennelemente kommt Bewegung: Wie das Bundesumweltministerium (BMU) am gestrigen Dienstag (9.10.2018)
Anti-Atomkraft-Initiativen und dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) bei einem Gespräch im Ministerium in Bonn mitteilte, beginnt schon am morgigen Donnerstag (11.10.2018) in Berlin die Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung. Beteiligt sind dabei u. auch das Bundesinnenministerium und das Bundeswirtschaftsministerium.
Das Bundesumweltministerium (BMU) gehe in die Gespräche auf der Grundlage, dass eine Stilllegung der beiden Uranfabriken im Rahmen des bundesdeutschen Atomausstiegs die sinnvollste Lösung sei. Dazu hatte das BMU im letzten Jahr bereits zwei Gutachten in Auftrag gegeben, die im Ergebnis in der Beendigung der Urananreicherung und der Brennelementeproduktion rechtlich kein Problem sehen. Am 17. Oktober wird zu dem Thema zudem eine öffentliche Anhörung im Umweltausschuss des Bundestages stattfinden.
„Wir begrüßen, dass sich das Bundesumweltministerium die Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau und der Brennelementefabrik Lingen als Ziel gesetzt hat. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bundesrepublik Deutschland bislang einer der Hauptlieferanten von Uranbrennstoff für zahlreiche hochgefährliche Atomkraftwerke in Europa, den USA und anderswo ist. Wir erwarten zumindest, dass die Bundesregierung die Belieferung der international umstrittenen Pannenmeiler in Tihange, Doel, Cattenom und Fessenheim sofort unterbindet, weil die unberechenbaren Reaktoren ein Pulverfass sind. Es muss jetzt schnell konkret werden und die Große Koalition darf nicht alles wieder zerreden,“ so Udo Buchholz vom Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau und Vorstand des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU).
Als „völlig inakzeptabel“ bezeichneten die BMU-Vertreter darüber hinaus die schwere Sicherheitslücke beim Gronauer Urananreicherer Urenco, wo ein mittlerweile entlassener Mitarbeiter unentdeckt Waffenteile in die Atomanlage geschmuggelt hatte. Dies müsse von Urenco und der Landes-Atomaufsicht in Düsseldorf vollständig aufgeklärt und eine Wiederholung ausgeschlossen werden. Derzeit ermittelt dazu auch die Staatsanwaltschaft.
Genauso „inakzeptabel“ sei es, wenn Unternehmen wie der Lingener Brennelemente-Hersteller Framatome juristischen und diplomatischen Druck auf unabhängige Genehmigungsbehörden ausübe. Im August 2018 hatte die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass Framatome zusammen mit der Schweizer Botschaft in Berlin durch massiven Druck versucht hatte, eine rasche Transportgenehmigung für Brennelemente-Transporte von Lingen in die Schweiz zu erzwingen. Aus diesem Grund fordern die Anti-Atomkraft-Initiativen und der BBU als eine Sofortmaßnahme u. a. die umgehende Veröffentlichung von Exportgenehmigungen für angereichertes Uran und Brennelemente durch das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Im Juni hatte das BMU im Bundestag auch dazu eine Prüfung zugesagt.
„Sehr große Sorgen bereiten uns die Medienberichte, wonach angereichertes Uran aus Gronau und anderen Urananreicherungsanlagen des Urenco-Konzerns in den USA in Atomkraftwerken eingesetzt wird, die dem US-Atomwaffenprogramm zuarbeiten. Hier haben wir vom BMU glasklare Zusicherungen eingefordert, dass es keinerlei Verstöße gegen die ausschließlich zivile Nutzung der Urananreicherung geben darf. Das haben wir vor einigen Wochen auch beim Urenco- Miteigentümer RWE gefordert.
Bislang haben wir jedoch eher wachsweiche Aussagen gehört. Fakt ist, dass die USA keine eigene Urananreicherung mehr besitzt und deshalb zwangsläufig zum großen Teil auf angereichertes Uran von Urenco angewiesen ist. Das beunruhigt uns enorm – auch aus diesem Grund ist eine rasche Stilllegung der Urananreicherungsanlage und der Brennelementeproduktion von großer Bedeutung,“ so Christina Burchert vom Arbeitskreis Umwelt (AKU) Schüttorf.
Das BMU und die Anti-Atomkraft-Initiativen verständigten sich darauf, die Gespräche Anfang 2019 fortzusetzen.
Weitere Informationen:
www.ippnw.de,
www.sofa-ms.de,
www.urantransport.de,
www.antiatombonn.de,
www.bbu-online.de,
www.facebook.com/AKU.Schuettorf
Kontakte:
Udo Buchholz (AKU Gronau / BBU): Tel. 0175 – 3432719
Christina Burchert (AKU Schüttorf): Tel. 0171 – 2804110
Matthias Eickhoff (Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen): Tel. 0176 – 64699023