Hochradioaktiver Atommüll zum Zwischenlager Biblis: Transportgenehmigung über deutschen Hafen erteilt
Die Informationen verdichten sich, dass ein Castor-Transport mit sechs Behältern voll hochradioaktivem Atommüll aus England vermutlich über den Hafen im niedersächsischen Nordenham und weiter auf der Schiene in das Zwischenlager Biblis stattfinden wird. Der hochradioaktive verglaste Atomabfall ist in der Plutoniumfabrik Sellafield bei der inzwischen verbotenen Wiederaufarbeitung von Brennstäben aus deutschen Atommeilern entstanden. AtomkraftgegnerInnen kritisieren, dass die Sicherheitsanforderungen für die Zwischenlagerung dieser speziellen Abfälle unzureichend sind.
Die zuständige Genehmigungsbehörde Base (ehemals BfE) hat jetzt für den Zeitraum März bis Dezember entsprechende Transporte erlaubt. Die für den Transport zuständige Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS) teilt in einer Presseerklärumg mit (beide PMs sind unten dokumentiert), dass der Umschlag der Atomtransporte von Fähre auf Schiene in „einem deutschen Seehafen“ stattfinden wird. Für derartige Transporte mit Plutonium und hochaktivem Atommüll ist in den letzten Jahren immer wieder der Hafen in Nordenham genutzt worden. Auch die leeren Castor-Behälter wurden über Nordenham nach England verschifft. Anti-Atom-Initiativen mobilisieren über Castor-Stoppen u.a. mit dieser Übersichtskarte zum möglichen Transportverlauf.
Weitere aktuelle Informationen auf umweltFAIRaendern dazu:
- Vorbereitungen für Castor-Transporte aus Sellafield ins Atommüll-Zwischenlager Biblis
- Radioaktive Castortransporte: Bundesamt veröffentlicht Genehmigung für Zwischenlager Biblis
- Castor-Atommüll aus WAA: Genehmigung für Einlagerung im Zwischenlager Biblis erteilt – Transportgenehmigung steht noch aus
- Atommüll: Castor-Transporte ins Zwischenlager Biblis im Jahr 2020
- Keine Öffentlichkeitsbeteiligung: Mehr Atommüll für Zwischenlager Biblis
- Atommüll-Transporte: Bundespolizei übt Großeinsatz wegen Castor-Transport
Die vom BASE erteilte Genehmigung zur Einlagerung der verglasten WAA-Abfälle enthält sicherheitsrelevante Mängel. Sollte einer der Castor-Behälter undicht werden, bestünden nach der Genehmigung nur provisorische Möglichkeiten eines Umgangs. Auf eine Heiße Zelle, in der defekte Behälter aufbewahrt und repariert werden könnten, verzichtet die zuständige Genehmigungsbehörde. Auch der Transport der brisanten Atomabfälle ist angesichts der gewachsenen Terrorgefahren eine enorme Sicherheits- und Sicherungsaufgabe, die zum größten Teil strikter Geheimhaltung der Sicherheitsdienste und Polizei unterliegt.
- Stichwort SEWD siehe hier auf umweltFAIRaendern.de. Siehe auch hier zum Thema Atomenergie und Terror
Sicherheit bei der Zwischenlagerung hochradioaktiver (verglaster) Abfälle:
- Undichte Castor-Behälter: Neue Studie zur Sicherheit der Atommülllagerung fordert Heiße Zellen
- Atommüll-Zwischenlager brauchen Nachrüstung: Heiße Zellen sind erforderlich
- Atommüll-Zwischenlagerung: Von Sicherheit, Öffentlichkeitsbeteiligung und Kritik
- Dokumentation: „Stellungnahme zur Pilot-Konditionierungsanlage Gorleben“, 2015
- Hochradioaktiver Atommüll: Wie lange hält der Castor dicht? USA haben nachgesehen
- Atommüllkonferenz: Auf dem Prüfstand – Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle und der Strahlenschutz
- Hochradioaktiver Atommüll: Zwischenlagerung auf dem Prüfstand
Dokumentation (!) von der Seite der GNS und von BASE:
1.) Transport zur Rückführung deutscher Wiederaufarbeitungsabfälle aus England genehmigt
Der Transport wird von der Wiederaufarbeitungsanlage in Sellafield über einen englischen und einen deutschen Seehafen zum Zwischenlager Biblis führen. Er umfasst sechs für diesen Zweck ausgelegte Sicherheitsbehälter vom Typ CASTOR® HAW28M.
Die Aufbewahrungsgenehmigung gemäß § 6 AtG zur Einlagerung der verglasten Wiederaufarbeitungsabfälle hat die bundeseigene BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung, die das Zwischenlager Biblis betreibt, bereits Ende Dezember 2019 vom Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE/Bezeichnung des BASE bis 31. Dezember 2019) erhalten.
GNS-Infoportal zur Rückführung
Umfassende Informationen rund um die Rückführung deutscher Wiederaufarbeitungsabfälle und die anstehenden Transporte hat die GNS auf einer speziellen Website zusammengestellt. Hier finden sich weitere Hintergrundinformationen, Fotos und Grafiken sowie Ansprechpartner der beteiligten Unternehmen: rueckfuehrung.gns.de
Hintergrund-Informationen:
Wiederaufarbeitung – Verpflichtung zur Rücknahme
Von 1976 bis 2005 war in Deutschland die Wiederaufarbeitung von zur Energieerzeugung eingesetzten Brennelementen ein gesetzlich vorgesehener Entsorgungsweg, bis 1994 sogar der einzig mögliche und gesetzlich vorgeschriebene. Dazu hatten die deutschen Kernkraftwerksbetreiber umfassende Verträge mit den Wiederaufarbeitungsanlagen in La Hague/Frankreich und Sellafield /England abgeschlossen. Neben dem wiederverwertbaren Kernbrennstoff fällt bei der Wiederaufarbeitung auch radioaktiver Abfall an. Die beteiligten Unternehmen haben sich zur Rücknahme ihrer Abfälle vertraglich verpflichtet. Darüber hinaus bestehen völkerrechtliche Vereinbarungen zwischen Deutschland und Frankreich bzw. Großbritannien, die die Rücknahme sicherstellen. Gemäß Atomgesetz (§ 9a Absatz 2a) haben die Energieversorger dafür Sorge zu tragen, dass die verbliebenen radioaktiven Abfälle aus der Wiederaufarbeitung zurückgenommen und in standortnahe Zwischenlager in Deutschland transportiert werden. (Fofo: BfS, BfE, Base)
Der Zwischenlagerstandort Biblis in Hessen ist ebenso wie Isar in Bayern und Brokdorf in Schleswig-Holstein, die Zielorte der beiden weiteren Transporte aus Sellafield, auf Basis eines Konzeptes des Bundesumweltministeriums im Jahr 2015 im breiten politischen Konsens festgelegt worden. Darin enthalten ist außerdem ein Transport von mittelradioaktiven Wiederaufarbeitungsabfällen aus La Hague in das Zwischenlager in Philippsburg. Mit der Organisation und Durchführung dieser Rückführungstransporte haben die Kernkraftwerksbetreiber die GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH beauftragt, die hierfür mit weiteren Firmen zusammenarbeitet.
Sichere Verpackung
Die bei der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente angefallenen radioaktiven Abfälle wurden zu einem stabilen Glasprodukt verarbeitet und in Edelstahlbehälter (sogenannte „Kokillen“) sicher eingeschlossen. Jeweils 28 dieser Kokillen werden für den Transport und die anschließende Zwischenlagerung in beladen jeweils rund 120 Tonnen schwere Sicherheitsbehälter vom Typ CASTOR® HAW28M der GNS geladen. Dieser bewährte Behältertyp ist bereits bei mehreren Rückführungstransporten aus Frankreich nach Deutschland und von England in die Schweiz zum Einsatz gekommen.
Per Schiff und Bahn nach Biblis
Die Behälter werden zunächst auf der Schiene von der Wiederaufarbeitungsanlage in Sellafield zu einem englischen Seehafen gebracht, wo sie auf ein Spezial-Schiff für den sicheren Seetransport verladen werden. Nach der Schiffspassage aus England werden die Behälter in einem deutschen Seehafen auf spezielle Eisenbahnwaggons umgeladen. Der Zug mit den sechs Behältern wird vom Hafen direkt bis nach Biblis fahren, wo er über das Anschlussgleis bis auf das Kraftwerksgelände rangieren wird. Dort werden die Behälter abgeladen und in das Zwischenlagergebäude verbracht. Die hierfür verwendeten Kräne und Fahrzeuge sind für Handhabungen von leeren und beladenen Brennelementbehältern mit vergleichbaren Abmessungen ausgelegt und am Standort bereits vielfach bewährt.
Im Zwischenlager werden die Behälter vorübergehend im Lagerbereich abgestellt. In einem letzten Schritt wird der für die Zwischenlagerung erforderliche zusätzliche Deckel montiert. Abschließend werden die Behälter an ihren Stellplatz im Lagerbereich gebracht und an das Dichtheitsüberwachungssystem angeschlossen.
Die Eignung aller zum Einsatz kommenden Einrichtungen am Standort Biblis wurden bei einer „Kalthandhabung“ unter behördlicher Beteiligung im Herbst vergangenen Jahres von allen Akteuren erneut nachgewiesen
Strahlenschutz und Sicherheit
Die Einhaltung aller gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte war eine Grundvorrausetzung für die Erteilung der Transportgenehmigung sowie der im Dezember 2019 erteilten Einlagerungsgenehmigung und musste daher bereits im Rahmen des Antragsverfahrens umfassend nachgewiesen werden. Die von unabhängigen Sachverständigen in Sellafield an den beladenen Behältern durchgeführten Messungen haben bestätigt, dass die zu erwartende Strahlenexposition von Bevölkerung, Transport- und Begleitpersonal während des gesamten Transports weit unter den gesetzlichen Grenzwerten liegt und damit keine Gefährdung für Mensch und Umwelt darstellen wird.
Bei der Umladung vom Schiff auf die Eisenbahnwaggons werden zur Bestätigung nochmals Messungen an allen Behältern durchgeführt, bevor die letzte Etappe auf der Schiene angetreten werden darf.
Für die Sicherung des Transports gelten strenge Vorgaben aus nationalen und internationalen Regelwerken. Um deren Wirksamkeit zu gewährleisten, unterliegen Sicherungsmaßnahmen der Geheimhaltung. Dazu gehört auch, dass genaue Transporttermine und -routen nicht im Vorfeld veröffentlicht werden.
Für die Absicherung des Transportbetriebs sind die jeweiligen Staaten und die Innenbehörden der jeweiligen Bundesländer verantwortlich. In Deutschland sind dies zum einen die Länderpolizeibehörden, zum anderen für den Bahntransport die Bundespolizei.
2. BASE: Sicherheitsanforderungen für Rücknahme-Transport nach Biblis nachgewiesen
Datum 14.02.2020
Genehmigt ist der Transport der hochradioaktiven Abfälle in maximal sechs Transportbehältern im Zeitraum vom 1. März bis 31. Dezember 2020. Wann genau und auf welchem Weg konkret der Transport stattfindet, stimmt die Antragstellerin insbesondere mit den zuständigen Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes sowie dem Eisenbahn-Bundesamt als zuständige atomrechtliche Aufsichtsbehörde für den Schienentransport ab. Die Rücknahme der deutschen Abfälle ist völkerrechtlich verbindlich vorgegeben.
Aufbewahrungsgenehmigung für Biblis liegt vor
Die Aufbewahrung der verglasten Abfälle im Zwischenlager Biblis wurde vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung Ende 2019 genehmigt. Auch nach der Rücknahme der sechs Behälter wird am Standort Biblis die bereits genehmigte Zahl an Behältern für hochradioaktive Abfälle nicht ausgeschöpft. Im Zwischenlager Biblis ist u.a. die Aufbewahrung von maximal 135 Behältern mit hochradioaktiven Abfällen gestattet. Inklusive der Behälter mit den verglasten Abfällen aus Sellafield werden dort 27 Behälter mit hochradioaktiven Abfällen weniger stehen als ursprünglich geplant. Ursächlich hierfür ist insbesondere die vorzeitige Beendigung des Leistungsbetriebs des Atomkraftwerks Biblis.
Hintergrund: Rücknahme der deutschen Abfälle
Bis heute befinden sich verglaste radioaktive Abfälle aus deutschen Atomkraftwerken im Vereinigten Königreich und Frankreich. Die deutschen Energieversorgungsunternehmen hatten bis 2005 bestrahlte Brennelemente aus ihren Atomkraftwerken dorthin zur Wiederaufarbeitung transportiert. Die dabei entstandenen flüssigen Abfälle wurden anschließend in Glas geschmolzen und seitdem sukzessive zurück transportiert. Um Transporte der radioaktiven Abfälle zu minimieren und die Wiederaufarbeitung insgesamt zu beenden, wurden die Atomkraftwerksbetreiber ab 2002 durch Änderung des Atomgesetzes verpflichtet, Zwischenlager zur Aufbewahrung der bestrahlten Brennelemente an den Standorten der Reaktoren zu bauen. Seit dem Jahr 2005 ist die Lieferung von Brennelementen aus deutschen Atomkraftwerken in die sogenannte Wiederaufarbeitung verboten.
Rolle des Zwischenlagers in Gorleben
Bis 2011 transportierten die Abfalleigentümer die radioaktiven Rückstände aus der Wiederaufarbeitung in das Zwischenlager Gorleben in Niedersachsen. Dort stehen heute rund 80 Prozent der Behälter mit verglasten radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung. In Gorleben befindet sich auch der einzige Standort, der in der Vergangenheit teilweise auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktive Abfälle untersucht worden war. Diese geologischen Untersuchungen waren 2012 beendet worden.
Mit dem Standortauswahlgesetz, das der Bundestag 2013 mit breiter Mehrheit verabschiedete, änderte der Gesetzgeber auch das Atomgesetz: die verbliebenen verglasten Abfälle im Ausland sind demnach in den Zwischenlagern an den Standorten der Kernkraftwerke aufzubewahren. Ziel war es, bei der ergebnisoffenen Suche nach einem Endlager nicht den Eindruck zu erwecken, Gorleben sei als Endlagerstandort bereits festgelegt. 2015 verständigten sich Bundesregierung, Länder und Energieversorgungsunternehmen, die verbliebenen radioaktiven Abfälle in Biblis, Brokdorf, Niederaichbach (Atomkraftwerk Isar) und Philippsburg zwischenzulagern.
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