Atommülllager-Suche: Nationales Begleitgremium fordert Verschiebung
Nach dem Umweltverband BUND und dem Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (DIE LINKE) hat sich jetzt auch das mit dem neuen Standortauswahlgesetz zur Endlagersuche für hochradioaktive Abfälle geschaffene Nationale Begleitgremium (NBG) für ein Moratorium ausgesprochen. Das ist auf der Homepage des sogenannten „Wächtergremiums“ über das Endlager-Suchverfahren nachzulesen. Vermutlich im September plant die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) einen sogenannten Teilgebietebericht vorzulegen, in dem Regionen aus der weiteren Endlagersuche ausscheiden oder als künftige Erkundungsregionen offiziell im weiteren Verfahren auf ihre Eignung untersucht werden. Um die Fehler aus Gorleben nicht zu wiederholen, soll in neuen Suchverfahren vorgeblich mit hoher Priorität Transparenz und Beteiligung sichergestellt sein, um politische Willkürmaßnahmen zu verhindern. Doch immer mehr zeigte sich in den letzten Monaten, dass es erhebliche Differenzen gibt, wie Augenhöhe und echte Teilhabe für die Bürger*innen tatsächlich hergestellt werden können. (Die Stellungnahme ist hier als PDF)
- Atommüll-Lager-Suche: Auch DIE LINKE hält Moratorium für erforderlich
- Atommüll-Lager-Suche: BUND fordert Moratorium
umweltFAIRaendern.de dokumentiert die PM und Stellungnahme des NBG:
Nationales Begleitgremium fordert Verschiebung
Das Nationale Begleitgremium schlägt in Anpassung an die Gegebenheiten folgendes Verfahren vor:
- Die Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete durch die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) erfolgt frühestens im Februar 2021.
- Der Bericht wird der Öffentlichkeit auf einer vom BASE organisierten Prä-Konferenz, die der Fachkonferenz Teilgebiete vorgeschaltet ist, von der BGE detailliert und umfassend vorgestellt.
- Die BGE/das BASE stellt Ressourcen zur Verfügung, mit deren Hilfe die Zivilgesellschaft den Zwischenbericht verstehen und die Generierung der Ergebnisse nachvollziehen kann.
- Frühestens im Juni 2021 findet die erste Fachkonferenz Teilgebiete statt.
- Die erste Fachkonferenz markiert den Auftakt des sechsmonatigen Beratungszeitraumes, in dem zwei weitere Fachkonferenzen stattfinden.
Schon die zahlreichen Verzögerungen im Vorfeld der Krise hätten eine Anpassung des Zeitplans gerechtfertigt. Dazu gehören die langen Verzögerungen bei der Verabschiedung des Geologiedatengesetzes und infolge dessen die unzureichende Herstellung von Transparenz bezüglich der Grundlagendaten. Zu nennen ist die Verzögerung bezüglich der Verordnungen zu den Sicherheitsanforderungen und zu den vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen sowie die fehlende Verordnung zu § 38 des Standortauswahlgesetztes. Und schließlich die fast zweijährige Verzögerung der vollständigen Besetzung des Nationalen Begleitgremiums.
Diese vom NBG vorgeschlagene Anpassung des Zeitplans trägt der aktuellen Situation Rechnung und entspricht der durch die Corona-Pandemie bedingten allgemeinen Verschiebung vieler Vorgänge in der Gesellschaft. Je nach Entwicklung der Pandemie müssen gegebenenfalls weitere Verschiebungen in Erwägung gezogen werden. Wie Bund und Länder es für andere Prozesse empfehlen, muss auch hier die Zeitplanung „auf Sicht“ erfolgen.
Der Zeitplan im Standortauswahlverfahren kann wegen der Corona-Verzögerungen nicht wie geplant durchgezogen werden, ohne die gesetzlich geforderte Transparenz und Partizipation der Öffentlichkeit zu missachten. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen ist es der Zivilgesellschaft aktuell nicht möglich, sich adäquat auf die Veröffentlichung des Zwischenberichtes Teilgebiete vorzubereiten. Ebenfalls ist es nicht möglich, dass sich NBG, BGE und BASE mit Bürger*innen austauschen.
Ein restriktives und unnötiges Festhalten am Zeitplan würde in der Öffentlichkeit den Eindruck entstehen lassen, dass ungeachtet aller Umstände eilig etwas durchgedrückt werden soll. Ein derartiges Vorgehen würde Misstrauen befördern und widerspräche zutiefst der Grundhaltung des NBG: Wir achten darauf, dass das Verfahren nicht durch Zeitdruck bestimmt wird, sondern wir folgen der Maxime, dass Fairness und Sorgfalt vor Zeitdruck und Ökonomie gehen. Das Verfahren bestimmt die Zeit und nicht die Zeit das Verfahren.
Mit einem sach- und situationsgerechten Agieren dagegen können die handelnden Akteure unter Beweis stellen, dass sie ein lernendes und anpassungsfähiges Verfahren gestalten wollen und dass Öffentlichkeitsbeteiligung in der Tat eine hohe Priorität hat.
Die Verschiebung sorgt nicht für Leerlauf, sondern schafft lediglich die dringend erforderliche Zeit, Versäumnisse aufzuarbeiten und die Qualität des Verfahrens sicherzustellen. Das betrifft aus Sicht des NBG folgende Aufgaben:
- Die Ermöglichung einer öffentlichen Diskussion und Beteiligung zu den vom Bundesumweltministerium zu erlassenen Verordnungen zu den Sicherheitsanforderungen, zu den vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen sowie der Verordnung zur Speicherung und Archivierung (§ 38 des StandAG).
- Die Ermöglichung einer öffentlichen Diskussion von Methoden, Forschungsansätzen und -ergebnissen mit der wissenschaftlichen und interessierten Öffentlichkeit durch die BGE.
- Die Erstellung eines Zwischenberichtes durch die BGE ohne übermäßigen zeitlichen Druck und somit ohne inhaltliche und qualitative Abstriche.
- Die Vorbereitung der Prä-Konferenz (durch das BASE), auf welcher der Zwischenbericht der breiten Öffentlichkeit durch die BGE vorgestellt wird. Da es allen Akteuren möglich ist, zusätzliche Formate der Öffentlichkeitsbeteiligung einzuführen, ist die Durchführung dieser Informations-Konferenz gesetzeskonform. Sie erfüllt das berechtigte Anliegen des BASE, alle interessierten Bürger*innen zentral, zeitgleich und zeitnah informieren zu wollen. Dieses zusätzliche Format dürfte zudem den Bedürfnissen der Bürger*innen nach Erläuterung der Information entgegenkommen.
- Die solide Vorbereitung der Fachkonferenz Teilgebiete durch das BASE. Die Verschiebung bietet die Gelegenheit, noch einmal neu nach Wegen zu suchen, wie die Öffentlichkeit dazu eingeladen werden kann, diese Formate mit zu gestalten. Dazu gehört die Erarbeitung konkreter Szenarien, wie und wo Bürger*innen Ressourcen abrufen können, mit deren Hilfe sie sich solide informiert in die inhaltliche Diskussion einbringen können. Dringlich zu erarbeiten ist auch der Umgang mit den Ergebnissen der Fachkonferenz Teilgebiete.
Aufgrund dieser Sachlage fordert das Nationale Begleitgremium die Verschiebung der Veröffentlichung des Zwischenberichts Teilgebiete und der Fachkonferenz Teilgebiete um fünf bis sechs Monate.
Gleichzeitig werben wir für diese Verschiebung, da sie nicht nur situationsgerecht ist, sondern die Gelegenheit bietet, den geäußerten Bedürfnissen der Zivilgesellschaft entgegenzukommen (siehe Rückmeldungen von Bürger*innen auf dem Workshop des BASE und offener Brief des BUND).
Jetzt kann und muss sich das Verfahren als lernfähig und flexibel und damit als vertrauenswürdig erweisen.
Das NBG hat seine Position und die damit verknüpften Forderungen am 23. April 2020 an das BASE übermittelt.