Ohne BUND: Buschholz aus Namibia für Hamburger Kohleausstieg

Ohne BUND: Buschholz aus Namibia für Hamburger Kohleausstieg

Uran aus Namibia zur Versorgung von Atommeilern kommt schon lange und immer noch über den Hamburger Hafen. Nun gibt es Pläne, Buschholz aus der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Südwest“ für den Kohleausstieg in Hamburg zu importieren. Klingt nicht sonderlich sinnvoll, einen fossilen Energieträger durch den nächsten zu ersetzen. Aber, so heißt es: In Namibia „verbuschen“ die Savannen im großen Stil. Da muss Hamburg helfen. Denn: Weide-Wirtschaft und Safari-Gebiete sind bedroht. Seit langem würden Möglichkeiten untersucht, die weitere Verbuschung einzudämmen. Bislang ohne Erfolg. Vorn mit dabei ist die deutsche „Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit begrenzter Haftung“ (also ein Wirtschaftsunternehmen). Auch das rot-grüne Hamburg will helfen und hat in Person der Umweltbehörde Hamburg mit anderen „Partnern“ ein „Memorandum of Understandig (MoU)“ auf den Weg gebracht. Ein Projekt, das auf Kritik stößt, beim Hamburger BUND, aber auch bei anderen Klimaschützern.
Was das Namibia-Buschholz-Projekt bringen soll, wird im Mai 2020 in einer Senats-PM so beschrieben: „In Namibia und anderen südafrikanischen Ländern ist die Verbuschung der Savanne ein großes ökologisches Problem. Das Gestrüpp zerstört Lebensräume für Tiere und Landwirtschaftsflächen und entzieht dem Boden Wasser. Seit vielen Jahren wird vor Ort versucht – auch mit Unterstützung deutscher und internationaler Entwicklungshilfe – eine Verwertung des Buschholzes in Gang zu setzen. Aber die vorhandenen und jährlich nachwachsenden Mengen sind so groß, dass nur ein kleiner Teil dort sinnvoll verwertet werden kann (z.B. zur Energienutzung, als Viehfutter oder zur Holzkohleherstellung).
Die Experten sind sich einig, dass nur internationale Nachfrage und Verwertung zur Lösung dieses Umweltproblems beitragen kann und deshalb prüfen die Umweltbehörde und die Wärme Hamburg GmbH gemeinsam mit der Wissenschaft nun die effiziente Nutzung und Verwertung der Biomasse in Hamburg und haben dazu ein Memorandum of Understandig (MoU) unterzeichnet. Die Bundesregierung, der Staat Namibia sowie NGOs der Entwicklungszusammenarbeit und die Wissenschaft haben den Anstoß für diese Initiative gegeben.
Bei der Untersuchung wird betrachtet, wie eine verlässliche und langfristige Lieferkette zur Abnahme der Biomasse aufbaut werden und wie sie Vorteile für alle Beteiligten bringen könnte. Ein Großteil der Wertschöpfung soll dabei in Namibia stattfinden und eine Teilhabe breiter Bevölkerungsteile sichergestellt sein. Neben den sozialen Aspekten wird die Ökobilanz von Produktion, Transport und Nutzung betrachtet. In Hamburg könnte die Biomasse fossile Brennstoffe in der Energieerzeugung, Industrie oder im Verkehr ablösen.“ (Nur mal so: Dieser Text ist dermaßen vollgeknallt mit Deutungen und vermeintlichen Fakten, dass es fast schon als ein Verbrechen erscheinen muss, wenn man nicht sofort bereit ist zu helfen, zu helfen und zu helfen… Verbuschung, Gestrüpp, zerstörte Lebensräume, großes Öko-Problem, Wassermangel, … da muss doch selbstlose deutsche Hilfe einen Beitrag leisten und die bedrohten Lebensräume dort unten retten! Irgendwo müssen wir ja anfangen.)
Mit dem Memorandum of Unterstanding wurde eine Projekt an der „Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg“ (HAW) vereinbart. Etwas ein Jahr lang soll geprüft werden, ob das Busch-Holz aus Namibia unter vernünftigen sozialen und ökologischen Bedingungen für den Umbau der Hamburger Fernwärme-Versorgung genutzt und als Ersatz für Kohle z.B. im Heizkraftwerk Tiefstack eingesetzt werden kann. Dabei sollen auch NGOs und ihre Perspektive einbezogen werden. Ansässig ist das Projekt in Hamburg!
Bereits vor einem Jahr war dieses MoU unter anderem mit einem von GIZ und IfaS (siehe unten) verfassten „Dossier (PDF)“ auf den Weg gebracht worden. Darin sind aus offenbar gemeinsamer Sicht der GIZ mbH und der Forschungseinrichtung der Uni Trier die Grundlagen für das Projekt dargestellt worden.
Es gibt massive Kritik gegen diese Pläne, z. B. vom Hamburger Energietisch und Prof. Dr. Rabenstein (siehe dazu gleich unten). Bertchen Kohrs von „Earthlife Namibia“ führt ihre Kritik in der Allgemeinen Zeitung aus. Und auch der BUND Hamburg hat sich deutlich kritisch und ablehnend zu dem geplanten Deal geäußert und verweigert sich auch einer Beteiligung an den genannten Arbeitsgruppen. Insbesondere die im MoU genannte kolonialpolitische Verantwortung „darf nicht dahingehend interpretiert werden, dass Hamburg die ehemalige deutsche Kolonie als reine Rohstofflieferantin für den hiesigen Energiehunger missbraucht“, so der Umweltverband. Statt Buschholz quer durch den Atlantik nach Hamburg zu transportieren, schlägt der BUND vor: „Vielmehr sollte die Stadt das in den letzten Jahren deutlich über 50 Prozent selbst von Stromimporten abhängige Namibia darin unterstützen, die eigene Versorgung auf regenerative Energien umzustellen bzw. die Busch-Biomasse verstärkt für CO2-speichernde Produkte wie etwa Baumaterialien zu nutzen.“ (Siehe das ganze Statement unten)

  • Trotz Atomausstieg in Deutschland ist Hamburger immer noch Umschlagplatz für Uran-Erz aus Namibia. Zwar hat Hamburg mit den Hafenunternehmen auf freiwilliger Basis eine Vereinbarung geschlossen, nach der sogenannten angereichertes Uran-Material nicht mehr im Hafen umgeschlagen werden dürfen. Natürliches Uran aus Kanada oder Namibia, welches erst in einem nächsten Verfahrensschritt z.B. in Gronau in einer entsprechenden Anlage angereichert wird, darf aber ungestört weiter über den Hamburger Hafen transportiert werden. Mehr dazu: „Atomtransporte Hamburg„.

Kritik kommt auch vom Hamburger Energietisch (HET) und seinem Gutachter Professor Dietrich Rabenstein. Darüber berichtete auch z.B. die Morgenpost. In der Summe wäre der Ersatz von Kohle durch Buschholz sogar umweltschädlicher, heißt es in einer Studie von Rabenstein, die auf der verlinkten HET Seite zu finden ist. In einer neueren Untersuchung warnt Rabenstein inzwischen auch vor einem Arbeitsplatzverlust in Namibia, falls es zu den Exporten kommt.

  • Weitere Info-Quellen: Ein Youtube-Video „Biomass Industrial Parks – Namibia“ bietet einen Überblick über die Vorstellungen der GIZ // Weitere allgemeine Informationen enthält ein Sonderdruck der Zeitschrift Energie aus PflanzenBuschernte ersetzt Import von Kohle. Bioenergie in Namibia“ // Informationen auch unter www.dasnamibia.org und www.n-big.org.
  • Mit einer Presseerklärung hatte der Senat im Mai 2020 auf das „Namibia-Buschholz-Projekt“ aufmerksam gemacht. Mit gewichtigen Worten wurden die Pläne beschrieben, aber das eigentlich angekündigte Memoradum of Unterstanding selbst wurde zunächst nicht veröffentlicht. Erst eine Anfrage bei „Frag den Staat“ (https://fragdenstaat.de/anfrage/memorandum-of-understanding-biomass-partnership-namibia-1/489880/anhang/MOUNamibia.pdf, siehe auch hier als PDF) sorgte für die Veröffentlichung, in dessen Rahmen auch ein Forschungsprojekt an der HAW durchgeführt werden soll. Das genaue Studiendesign ist bislang (oder?) auch nicht öffentlich.
  • Eher befremdlich und verharmlosend zu dem geplanten Geschäft mit Namibia und der Rolle Hamburgs in Sachen deutscher Kolonialpolitik äußert sich in der genannten Presserklärung des Senats Peter Heck, Geschäftsführer des Instituts für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) der Hochschule Trier und schon länger gemeinsam mit der GIZ mbH an dem Projekt beteiligt. Er lässt sich dort zitieren: „Nur eine Werte geleitete Energiepartnerschaft zwischen Namibia und Deutschland kann die optimale, nachhaltige Wertschöpfung bei der Nutzung der Biomasse und der Wiederherstellung der Savannenlandschaften gewährleisten. Hamburg mit seiner engagierten Zivilgesellschaft, der langen Tradition in der Afrikakooperation und dem kompetenten Energiepartner Hamburg Wärme ist meines Erachtens ein optimaler Partner Namibias für eine nachhaltige Biomassepartnerschaft.“ Engagierete Zivilgesellschaft, lange Tradition der Afrikakooperation? Fehlt da nicht irgendwas ziemlich bedeutsames?

Ende Juni 2020 titelt die Hamburger Morgenpost: „Professoren-Streit in Hamburg Zoff um das „Namibia-Gestrüpp“. Heck kritisiert seinen Kollegen Rabenstein massiv. Die MoPo schreibt: „Vor einer Woche legte Professor Rabenstein dann ein vernichtendes Gutachten vor. Sein Ergebnis: Die Emissionen sind höher als bei Kohle und Erdgas. Professor Peter Heck, einer der Initiatoren des Namibia-Projektes, schoss jetzt zurück: „Herr Rabenstein hat sich viel Arbeit gemacht, leider aber mit falschen Annahmen gerechnet.“ Heck bekräftigte, dass den Kalkulationen zu Folge selbst der höchste errechnete CO2-Wert noch unter den Emissionszahlen von Erdgas und Kohle läge.“ Heck feuert scharf gegen Rabenstein, aber hat eigentlich nur Absichtserklärungen oder Ziele im Gepäck, keine Belege! Fakten liefert er nicht.
Absurder noch, Heck, der in seinem genannten „Senats-PM-Statement“ die Kolonialverbrechen schlicht komplett ausklammert, wirft nun ausgerechnet Rabenstein vor: „Das hat schon viel von Chauvinismus. Wir können Namibia nicht vorschreiben, den Tourismus einzustellen. Gerade nicht, wenn wir viel mehr CO2 produzieren“, sagt Heck.“ Anlass für diese Schelte: Rabenstein hatte u.a. kritisiert, dass vermehrter Tourismus oder auch Viehwirtschaft bei erfolgreicher „Entbuschung“ in Namibia die dortigen CO2-Emissionen wiederum erhöhen würde.  Ein Problem, vor dem man besser die Augen verschließen sollte, um Geschäfte mit Namibia zu machen? Eine ausführliche Erwiderung von Rabenstein findet sich hier.

UmweltFAIRaendern.de dokumentiert BUND Hamburg: Kritische Position zu Biomasse-Importen aus Namibia

24. Juli 2020 | Energie

Im Rahmen der dringend erforderlichen Energiewende fordert der BUND Hamburg für die Hansestadt einen hundertprozentigen Kohleausstieg im Bereich der Strom- und Wärmeerzeugung deutlich vor dem Jahr 2030. Diese Energiewende muss regional und auf Basis regenerativer Energien erfolgen. Dafür muss die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) alle denkbaren Optionen prüfen und die erforderlichen planerischen Ressourcen einsetzen.
Sollte aus dieser Prüfung hervorgehen, dass für den Kohleausstieg bis 2030 vorübergehend alternative Brennstoffe aus Importen erforderlich sind, muss geprüft werden, welche Optionen in Deutschland bzw. den Lieferländern klima- und sozialpolitisch am vertretbarsten sind.
Vor diesem Hintergrund lehnt der BUND eine langfristige Option zur Lieferung von Busch-Biomasse aus Namibia ab.
Die im Memorandum of Understanding (https://fragdenstaat.de/anfrage/memorandum-of-understanding-biomass-partnership-namibia-1/489880/anhang/MOUNamibia.pdf)  formulierte kulturhistorische Verantwortung Hamburgs gegenüber Namibia darf nicht dahingehend interpretiert werden, dass Hamburg die ehemalige deutsche Kolonie als reine Rohstofflieferantin für den hiesigen Energiehunger missbraucht.
Vielmehr sollte die Stadt das in den letzten Jahren deutlich über 50 Prozent selbst von Stromimporten abhängige Namibia darin unterstützen, die eigene Versorgung auf regenerative Energien umzustellen bzw. die Busch-Biomasse verstärkt für CO2-speichernde Produkte wie etwa Baumaterialien zu nutzen.
Aus diesen Gründen wird sich der BUND nicht in den von der BUKEA initiierten Arbeitsgruppen, welche die Studie zur „effizienten Nutzung und Verwertung der Biomasse“ begleiten sollen, beteiligen. Der BUND behält sich jedoch vor, nach Abschluss der Studie dazu Stellung zu nehmen.

Dirk Seifert