Endlager-Konferenz: Verschiebung würde helfen

Endlager-Konferenz: Verschiebung würde helfen

Trotz massiver Kritik sowohl in der Sache als auch mit Blick auf die Corona-bedingten Belastungen und Einschränkungen setzt die Atommüll-Bundesbehörde BaSE die vermeintliche Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Endlager-Suche mit der ersten oder zweiten Fachkonferenz Teilgebiete fort. Wo es offenkundige Probleme für die Öffentlichkeitsbeteiligung mit Video-Formaten gibt, sehen Behörden eine Chance. Eine mangelhaft legitimierte Arbeitsgruppe unter irgendwie grüner Regie zur Vorbereitung der Tagung hat sich inzwischen immer mehr zum gut gemeinten Operateur einer pragmatischen Umsetzung der Anforderungen der Bundesbehörde gemacht und stolpert überfordert mit einer Notfall-Tagesordnung in die Konferenz. Die Kritik am Vorgehen ist in Corona-Zeiten und unter Corona-Bedingungen schwierig – und von den Verfahrensleitenden beim BaSE im Grunde auch nicht gewollt.
Eigentlich kann es niemand erklären, warum ein Innehalten angesichts eines High-Speed-Verfahrens nicht möglich wäre, in dem selbst die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) nur über Verfahrenstricks einen Zwischenbericht vorgelegt bekommen hat, der die halbe Republik zur Atommüll-Region erklärt. Das macht alle betroffen, niemand ist gemeint.
Die Atommüllkonferenz hat als Ergebnis der Beratungen auf einer Konferenz am letzten Wochenende eine Kritik formuliert (PDF). Der BUND – der bereits auch fachlich massive Kritik geübt hat – rät dringlich zu einer Verschiebung. Landesgeologen kritisieren die Umgangsweise der BGE. Vom Zwischenbericht auf dem Weg zum Zwischenbericht, so überall die Kritik. Auch die LINKE im Bundestag in Form ihres atompolitischen Sprechers drängt auf eine Verschiebung. BaSE kümmert das alles nicht, das Verfahren muss voran gehen.
Einen Call for Papers hatte die Vorbereitungsgruppe unmittelbar vor Weihnachten gestartet, Frist: 4. Januar. Viele haben geliefert. Wenige Tage vor Konferenz sind die inzwischen mehr als 300 Seiten veröffentlicht. Ohne Übersicht, Gliederung und mit wenig aussagekräftigen Überschriften und ohne Erklärung, was damit nun eigentlich passieren wird. Zu finden ist das in der oben bereits genannten Einladung oder hier als PDF und hier auch. Dort findet sich auch der Vorschlag zur Tagesordnung, ein Entwurf für eine Geschäftsordnung, diese Call for Papers und eine Liste mit Beiträgen aus der Online-Beteiligung am Teilgebietebericht.

Dokumentation:

BUND: Vertrauenssache Atommülllagersuche? BUND kritisiert digitale Ruckzuck-Beteiligung an unfertigem Zwischenbericht

03. Februar 2021 | Atomkraft, BUND, Energiewende

Berlin. Kurz vor Beginn der ersten Sitzung der Fachkonferenz Teilgebiete blickt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mit Sorge auf diesen Versuch der Öffentlichkeitsbeteiligung in Sachen Atommülllagersuche. Ab Freitag soll der von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) vorgelegte „Zwischenbericht Teilgebiete“ erörtert werden, der erstmals Gebiete ausweist, die nach einer ersten Bestandsaufnahme noch im Rennen sind um ein potentielles Atomlager. Grundsätzlich begrüßt der BUND, dass bei der Jahrtausendaufgabe die Öffentlichkeitbeteiligung nun beginnt. Doch die vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) geplante digitale Ruckzuck-Beteiligung an einem unfertigen Zwischenbericht wird den hehren gesetzlichen Zielen nach einem partizipativen, wissenschaftsbasierten, transparenten, selbsthinterfragenden und lernenden Verfahren nicht gerecht. Dem notwendigen Vertrauensaufbau in der Suche nach einem tiefengeologischen Lager für hochradioaktive Abfälle ist das nicht dienlich.
Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND: „Den Umgang mit deutschem Atommüll zu klären ist wissenschaftlich und gesellschaftlich hoch komplex. Interessierte im Beteiligungsverfahren müssen sich in ihrer Freizeit in tausende Seiten geologischer Fachinformationen einarbeiten. Dafür brauchen sie mehr Zeit und wissenschaftliche Unterstützung, doch beides gewährt das zuständige Bundesamt nicht. Es peitscht stattdessen ein unzulängliches Schnellverfahren durch, ohne Rücksicht auf die Ressourcen von Kommunen und Zivilgesellschaft. Hinzu kommen die aktuellen Herausforderungen der Corona-Pandemie, die eine Zusammenarbeit weiter erschweren. Die Fachkonferenz Teilgebiete muss auf einen Zeitpunkt verschoben werden, an dem virtuelle Formate zumindest wieder durch Präsenzveranstaltungen ergänzt werden können. Bis dahin können rein digitale Veranstaltungen zwar helfen, sich auf die Konferenz und Erörterung des Berichtes vorzubereiten, doch für die gesetzlich vorgesehene und gesellschaftlich notwendige Beteiligung reicht das nicht.“
Offene Fragen zum vorgelegten Zwischenbericht gibt es schon jetzt genügend. Eine Analyse im Auftrag des BUND zeigt, dass der vorliegende Zwischenbericht, den die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) in drei Jahren erarbeitet hat, erhebliche Mängel aufweist. Da wesentliche gesetzliche Anforderungen nicht umgesetzt wurden, muss er als Vorstufe zum eigentlichen Zwischenbericht Teilgebiete gewertet werden – ein „Zwischen-Zwischenbericht“. So beruht er vor allem auf Referenzdaten und 3D-Modellen, also auf idealisierten Annahmen. Viele der ausgewiesenen Gebiete wurden mit ortsunspezifischen geologischen Daten bewertet. Eine Aussage, inwieweit sich die von der BGE als günstig bezeichneten Teilgebiete wirklich für ein Atommülllager eignen, lässt sich damit überhaupt nicht treffen. Selbst Geologische Landesdienste, welche die Daten geliefert haben, bezweifeln die adäquate Umsetzung des Anspruchs, wissenschaftsbasiert zu sein. Doch auf dieser Grundlage arbeitet die BGE mit der Anwendung der vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen und den planungswissenschaftlichen Abwägungskriterien parallel weiter und wartet dabei nicht einmal auf die Ergebnisse der Fachkonferenz Teilgebiete.
Edo Günther, Sprecher des BUND-Arbeitskreises Atomenergie und Strahlenschutz, kritisiert: „Bei dieser Bewertung besteht die Gefahr, dass planungswissenschaftliche Kriterien, wie etwa der Abstand zur Wohnbebauung, deutlich zu früh und an der falschen Stelle zum Tragen kommen. Zunächst muss jedoch die echte Geologie als Sicherung des Atommülls an oberster Stelle stehen. Wir warnen dabei auch vor einer politischen Auswahl. Es darf kein zweites Gorleben geben. Stattdessen müssen alle Auswahlschritte und insbesondere die Ausweisung der Standortregionen für die übertägige Erkundung nachvollziehbar sein. Wir brauchen ab jetzt eine ‚gläserne BGE‘.“

Mehr Informationen

  • Hintergrund: Die Fachkonferenz Teilgebiete, die am Wochenende (5.2.-7.2.2021) erstmals formal zusammentritt, ist das erste gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungsformat für eine breite Öffentlichkeit – nachdem BGE und BASE bereits seit drei Jahren an der Atommülllager-Suche arbeiten. Die Konferenz besteht aus Bürger*innen, Wissenschaftler*innen, Vertreter*innen von Verbänden und Kommunen und soll den Ende September 2020 vorgelegten Zwischenbericht Teilgebiete bis Juni 2021 kommentieren. Von den zugrundeliegenden geologischen Daten ist aber bislang nur ein kleiner Teil öffentlich einsehbar. Inwieweit die Kommentare der Fachkonferenz in den weiteren Prozess einfließen, entscheidet dann die Vorhabenträgerin BGE. Diese arbeitet bereits jetzt am nächsten Schritt der Standortauswahl und grenzt Standortregionen zur übertägigen Erkundung weiter ein.
  • vom BUND in Auftrag gegebene Lesehilfe und die daraus entstandenen Stellungnahmen (PDF)
  • zur Endlagersuche

 

Stellungnahme zur Fachkonferenz Teilgebiete: Fachkonferenz Teilgebiete – Durchmarsch der Veranstalter
Vom 5. bis 7. Februar 2021 soll der erste Beratungstermin der Fachkonferenz Teilgebiete stattfinden. Es ist absehbar, dass auch diese Konferenz von den Bedingungen der Corona-Pandemie geprägt sein wird. Ungeachtet aller Kritik an der virtuellen Auftaktveranstaltung im letzten Oktober will das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BaSE) seinen Zeitplan aber durchziehen. (…)

Die Stellungnahme wurde im Rahmen der Atommüllkonferenz erarbeitet und wird von den unterzeichnenden Organisationen getragen.

Dirk Seifert