Lagerung hochradioaktiver Atomabfälle: Atomrecht ausgehebelt – geplanter LNG-Terminal sorgt für Ausnahmezustand
Das Atomrecht bleibt für die Zwischenlagerung hochradioaktiver Atomabfälle im Zwischenlager Brunsbüttel in Schleswig-Holstein weiterhin ausgehebelt. Seit Jahren kommt das Genehmigungsverfahren nicht voran. Bereits 2015 hatten die obersten Gerichte der Republik dem Zwischenlager in Brunsbüttel die atomrechtliche Genehmigung wegen diverser Mängel entzogen. Dennoch erteilte das grün geführte Energieministerium in Schleswig-Holstein schließlich eine dauerhafte Duldung des atomrechtlich nicht genehmigten Zustandes. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Nachfrage des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel (Fraktion DIE LINKE) macht klar, dass systematisch von Bundes- und Landesbehörden Atomrecht ausgehebelt wird. (Die Fragen und die Antwort sind unten im Text.)
„Es ist unglaublich, was sich hier in Sachen Atommüll-Zwischenlagerung abspielt“, kommentiert Zdebel. „Es werden immer wieder die hohen Sicherheitsstandards des Atomrechts zitiert und doch lagern die gefährlichsten Abfälle, die wir kennen, in Brunsbüttel ohne eine entsprechende Genehmigung. Dass die Schleswig-Holsteinische Landesregierung überhaupt auf den Gedanken kommt, neben einem Atommülllager einen hochgefährlichen Gasterminal bauen zu wollen, ist so grotesk, wie die Situation, in der das Atomgesetz einfach ausgehebelt wird.“
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Hintergrund der brandgefährlichen Posse sind die Pläne der Landesregierung in Kiel, in direkter Nähe zum Atommüll-Zwischenlager in Brunsbüttel einen Flüssig-Gas-Terminal (LNG) zu errichten. Deshalb verlangt die zuständige Genehmigungsbehörde für das Zwischenlager vom Betreiber Vattenfall einen Nachweis, dass das Zwischenlager auch dann sicher betrieben werde, wenn es in dem Terminal zu einer Explosion kommt. Diesen Nachweis aber will Vattenfall nicht erbringen, weil unklar ist, ob der Terminal tatsächlich gebaut wird. Handlungsdruck gibt es nicht mehr, weil das Atomgesetz einen solchen Fall wie diesen nicht regelt und obendrein die grüne Behörde in Kiel eine unbefristete Aufbewahrungserlaubnis für den Atommüll erteilt hat.
Das Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll aus dem AKW Brunsbüttel ist Mitte der 2000er Jahre errichtet und beklagt worden, unter anderem weil es aus Sicht der Kläger nicht ausreichend gegen Terroranschläge gesichert wäre. Der Klage gaben schließlich das Oberverwaltungsgericht Schleswig (2013) und das Bundesverwaltungsgericht recht. Im Januar 2015 wurde die Genehmigung aufgehoben.
- Die Taz erklärte das Urteil hier.
Das danach eingeleitete neue Genehmigungsverfahren ist bis heute jedoch aufgrund von fehlenden Prüfunterlagen nicht vorangekommen. Mehrfach hatte sich die zuständige Bundesbehörde – das Bundesamt für die Sicherheit der nukleare Sicherheit (BASE) öffentlich zu den fehlenden Unterlagen geäußert.
Schriftliche Frage mit der Arbeitsnummer 8/451 vom 30. August 2021
(Eingang im Bundeskanzleramt am 31. August 2021)
Frage 8/451
„Welche Schritte wird die Bundesregierung unternehmen, damit der nach meiner Auffassung unhaltbare Zustand beendet wird, dass Vattenfall nach Angaben der zuständigen Genehmigungsbehörde BASE (zuletzt im Mai 2021, siehe hier: https://www.base.bund.de/DE/themen/ne/zwischenlager/standorte/kkb_brunsbuettel-atomrechtlichesituation.html;jsessionid=B1A6EF948F45730EA082A5002D0E0408.2_cid349) weiterhin in dem nach der Aufhebung der ersten Genehmigung durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig und des Bundesverwaltungsgerichts seit 2015 laufenden neuen atomrechtlichen Genehmigungsverfahren für das Zwischenlager Brunsbüttel erforderliche Sicherheitsnachweise bzw. Gutachten trotz offenbar entsprechender Aufforderungen durch das Bundesamt weiterhin nicht vorlegt und damit eine erforderliche atomrechtliche Genehmigung bisher nicht erfolgt (Quelle s. 1. Frageteil), und wie bewertet die Bundesregierung das Verhalten von Vattenfall und der Atomaufsicht in Schleswig-Holstein in diesem Zusammenhang?“
Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Bundesumweltministerium, Parlamentarische Staatssekretärin, Mitglied des Deutschen Bundestages, 07.09.2021:
„Eine Beschleunigung des Verfahrens kann maßgeblich durch die Antragstellerin selbst und durch die Steuerung der Einreichung der erforderlichen Unterlagen und Nachweise in der entsprechenden Detailtiefe erfolgen. Seitens des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) werden die eingereichten Unterlagen zeitnah nach der jeweiligen Einreichung geprüft.
Die Unterlageneinreichung durch die Antragstellerin ist für das Genehmigungsverfahren gemäß § 6 Atomgesetz für das Zwischenlager Brunsbüttel nach wie vor nicht abgeschlossen. Das BASE wird weiterhin auf einen möglichst zügigen Fortgang des Verfahrens drängen.
Die atomrechtliche Aufsicht des Landes Schleswig- Holstein erhält im Rahmen von regelmäßig stattfindenden Statusgesprächen mit allen Verfahrensbeteiligten umfassende Informationen über den Stand des Genehmigungsverfahrens.“
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