Endlagersuche hochradioaktiv: Sachstand – Methoden – Probleme – Suchverfahren zwischen Gesetz, Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit
Mit dem Forum Endlagersuche in die nächste Etappe, um nach rund 50 Jahren Atomenergienutzung endlich einen Schritt vorwärts zu kommen, um die dabei angefallenen und immer noch anfallenden hochradioaktiven Atomabfälle möglichst sicher und mit umfassender Bürgerbeteiligung unter die Erde zu bekommen. In Mainz findet die Veranstaltung statt, in der das neu eingerichtete Planungsteam Forum Endlagersuche der Öffentlichkeit die Möglichkeit schafft, sich über den bisherigen Sachstand auszutauschen und die Methodenentwicklung bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) unter die Lupe zu nehmen. Der BUND kündigt für morgen eine PM und eine Stellungnahme zum derzeitigen Stand des Verfahrens an. Das Nationale Begleitgremium (NBG) bei der Endlagersuche, eine Art Kontrollgremium, ob die per Gesetz beauftragten Verantwortlichen korrekt mit der Umsetzung eines beteiligungsorientierten, wissenschaftsbasierten und transparenten Suchverfahren umgehen, hatte gerade erklärt, dass es bei dem das Verfahren leitenden Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung Akteneinsicht durchführen will (siehe unten als Dokumentation). Auch die Sozialwissenschaften melden sich aktuell mit einem erneuten Policy Paper zu Wort, in dem ein Blick auf das bisherige Verfahren geworfen wird, Bewertungen des Agierens der Beteiligten – nicht nur der rechtlich verantwortlichen Akteure – und Empfehlungen für das weitere Vorgehen vorgeschlagen werden. Die Arbeit der FU Berlin wird im Rahmen staatlicher Förderung über Transsens finanziert. Ebenfalls am Wochenende gibt es Aktionen der Anti-Atom-Bewegung gegen das aus der Zeit gefallene geplante Endlager im Schacht Konrad, in dem leicht- und mittelradioaktive Abfälle für die Ewigkeit verbuddelt werden sollen. Zuletzt hatte sich auch der Umweltausschuss im Bundestag mit den Mängeln und Sachständen der Endlagersuche befasst.
- Hier gehst zur Anmeldung Forum Endlagersuche: Diskutieren Sie mit uns zum Thema Endlagersuche, Methodenentwicklung und Öffentlichkeitsbeteiligung.
- Über die Anhörung im Umweltausschuss wird hier beim Bundestag berichtet, siehe auch unten als Dokumentation. Dort auch der die Dokumentation
- Gameover: Kein Atommüll in den Schacht – Konrad mit Pauken und Trompeten stoppen
- Alles zum Thema Endlagersuche bei umweltFAIRaendern.de
- Auf der Böll Niedersachsen Seite findet sich auch ein Interview mit der Co-Autorin Dörte Theman, siehe hier: „Dissense sind wichtig, um überhaupt hinterfragen und reflektieren zu können”
Dokumentation: Berlin, 18. Mai 2022 – Pressemitteilung Nr.: 9/2022: Standortsuche für ein Atommüll-Endlager – Nationales Begleitgremium plant Akteneinsicht beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung
Die Aufgabe des Nationalen Begleitgremiums (NBG) ist die vermittelnde und unabhängige Begleitung des Standortauswahlverfahrens, insbesondere der Öffentlichkeitsbeteiligung, mit dem Ziel, so Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen. Deshalb wird dem NBG durch das Standortauswahlgesetz ein umfassendes Akteneinsichtsrecht in alle Akten und Unterlagen des Standortauswahlverfahrens bei den Akteuren des Verfahrens eingeräumt.
Dieses wird das NBG nun gegenüber dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) einsetzen. Das BASE ist Regulierungs-, Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde und organisiert die Öffentlichkeitsbeteiligung im Standortauswahlverfahren.
Aktuell befindet sich das Verfahren in Schritt 2 der Phase 1 – Ermittlung von Standortregionen zur übertägigen Erkundung. Das NBG hat bereits auf seiner Klausur im September 2021 beschlossen, sein Akteneinsichtsrecht in dieser Phase aktiver wahrzunehmen. Im Februar 2022 wurde Akteneinsicht bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) genommen.
Miranda Schreurs, Ko-Vorsitzende des NBG:
„Die Akteneinsicht ist ein gesetzlich festgeschriebenes wichtiges Instrument des NBG, um Transparenz sicherzustellen. Sie dient sowohl der Ausübung der Kontrollfunktion, der tatsächlichen Einsicht in Unterlagen zum jeweiligen Thema, als auch der besseren Information des NBG über laufende Projekte des BASE wie der Entwicklung einer Strategie zur Beteiligung der Jungen Generation im Standortauswahlverfahren. Das NBG hatte das BASE mehrfach öffentlich aufgefordert, eine Strategie für die Beteiligung der Jungen Generation vorzustellen, u.a. in seinen Empfehlungen für den Deutschen Bundestag am 23.06.2021 und zuletzt wieder im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages am 11.05.2022. Zu seiner Sitzung am 17.05.2022 hatte das NBG das BASE längerfristig eingeladen, um diese Strategie bzw. einen Arbeitsstand vorzustellen. Leider hat das BASE seine Teilnahme an der Sitzung kurzfristig abgesagt und mit vorab erforderlichen BASE-internen Abstimmungen und hoher Arbeitsbelastung vor dem anstehenden Forum Endlagersuche begründet. Diese kurzfristige Absage und dass offenkundig nach über einem Jahr noch keine Strategie für die Beteiligung der Jungen Generation vorliegt, hat das NBG mit Irritation zur Kenntnis genommen. Das NBG wird hier nicht lockerlassen und an dieser Frage dranbleiben.“
Armin Grunwald, Ko-Vorsitzender des NBG:
„Wir bedauern, dass es heute keinen Austausch mit dem BASE im Rahmen der NBG-Sitzung gegeben hat. Der regelmäßige Kontakt zwischen NBG und BASE ist aber wichtig und wir wollen gemeinsam mit dem BASE weiter daran arbeiten, wie dieser Dialog kritisch und konstruktiv fortgesetzt werden kann. Die Akteneinsicht des NBG wird hier sicherlich mehrere Fragestellungen aufwerfen.“
Geplante Themenbereiche der Akteneinsicht
- Aktenplan
- Entwicklung der Selbstorganisation von der Fachkonferenz Teilgebiete hin zum Forum Endlagersuche
- Öffentlichkeitsarbeit/ Informationskampagnen
- Junge Generation
- Konzepte zur Öffentlichkeitsbeteiligung in den kommenden zwei bis drei Jahren
- Konzepte zur Aufsichtsfunktion im Standortauswahlverfahren
- Grenztemperatur an der Behälteraußenwand 100° C
Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz/Anhörung – 11.05.2022 (hib 227/2022)
Berlin: (hib/SAS) Vor dem Hintergrund der durch den Krieg in der Ukraine neu entflammten Debatte um eine Weiternutzung der Atomkraft haben Vertreter der Gremien zur Endlagersuche ein klares Bekenntnis zum Atomausstieg gefordert. In einem öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz warnten am Mittwoch sowohl Vertreter des Nationalen Begleitgremiums (NBG), das als unabhängiges, pluralistisch zusammengesetztes gesellschaftliches Gremium die Endlagersuche begleitet, als auch des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), die anhaltende Diskussion um den beschlossenen Ausstieg stelle das Standortauswahlgesetz als Fundament des gesamten Prozesses der Endlagersuche in Frage. Auch Vertreter der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), die als Vorhabenträgerin für das operative Geschäft des Verfahrens zuständig ist, bezeichneten den Ausstiegsbeschluss als nötige Grundlage für die weitere Arbeit.
Klaus Brunsmeier, NBG-Vertreter und Mitglied des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mahnte daher eindringlich, an dem Ausstieg festzuhalten. Es dürfe keine längeren Laufzeiten für noch am Netz befindliche Atomkraftwerke geben. Für das Weiterbestehen des Vertrauens in den Prozess der Endlagersuche sei es zentral, dass der mit dem Standortauswahlgesetz gefundene „gesellschaftliche Konsens“ nicht infrage gestellt werde.
Zudem drängte er angesichts der kriegsbedingt gestiegenen Gefahren für Atomanlagen auf eine „schnellstmögliche tiefengeologische Lagerung“ radioaktiver Abfälle. Die Lagerung in einem verschlossenen Bergwerk stelle die im Vergleich zu anderen Lageroptionen sicherste Lösung dar. Auch regte er im Gespräch mit dem Abgeordneten an, schon jetzt auch ein partizipatives Verfahren zur Zwischenlagerung zu beginnen. „Die Menschen wollen zu Recht wissen, wie es weitergehen soll.“ Die Genehmigungen liefen Mitte des kommenden Jahrzehnts aus, und es sei schon jetzt absehbar, dass dann noch kein Endlager zur Verfügung stehen werde. Bis 2031 soll allerdings, so schreibt es das Standortauswahlgesetz von 2017 vor, ein geeigneter Standort für ein Endlager gefunden werden.
Markus Dröge, ebenfalls NBG-Vertreter und ehemaliger Bischof der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, betonte zudem die Notwendigkeit einer langfristigen Strategie zur Beteiligung junger Menschen am Standortauswahlverfahren. Er äußerte auch die Sorge, dass das Verfahren, das die Zusammenarbeit von Behörden und ehrenamtlichen Bürgern vorsehe, vor allem bei letzteren zu „Zermürbungserscheinungen“ führe. Bürger erlebten die „hierarchische und absicherungsorientierte Arbeitsweise von Behörden“ oft als zu kompliziert und intransparent. „Sie fühlen sich schleichend ausgegrenzt und nicht genug wertgeschätzt“, sagte Dröge und bat um Unterstützung für den Vorschlag des NBG, die drei am Verfahren beteiligten Gremien – neben dem NBG auch das BASE und die BGE – zweimal jährlich an einen „Runden Tisch“ zu holen.
Stefan Studt, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), bekannte sich zur Öffentlichkeitsbeteiligung als Grundvoraussetzung für das Gelingen des Standortauswahlprozesses . Er verwies in dem Zusammenhang auf die Teilnahme der BGE an 170 Veranstaltungen in Städten und Kommunen, 1.200 beantwortete Bürgeranfragen und 130 eigene Veranstaltungen, darunter Workshops und Planspiele.
Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), betonte ebenfalls die „umfassende und lückenlosen Information und Beteiligung der Öffentlichkeit“ als Kern eines Verfahrens, das Vertrauen schaffen und Gerechtigkeit im Standortauswahlprozess herstellen solle. Das BASE, als Aufsichtsbehörde auch verantwortlich für die Öffentlichkeitsbeteiligung, habe daher 2021 die Fachkonferenz Teilgebiete in mehreren Veranstaltungen durchgeführt, im Ende Mai starte nun das Forum Endlagersuche, das als kontinuierliches Beteiligungsformat die weitere Endlagersuche begleiten solle. Insgesamt betrachtet befinde sich der Standortauswahlprozess in einem Zwischenstadium. Zwar lege der Zwischenbericht nun 90 Teilgebiete fest, die im weiteren Verfahren als möglicher Endlagerstandort in Betracht gezogen werden könnten, dennoch sei man noch „weit davon entfernt“, konkrete Standortregionen zu benennen. Doch man stehe bei der Endlagersuche auch vor eine immensen Aufgabe: Ziel sei die sichere Endlagerung der „gefährlichsten Stoffe, die die Menschheit je in die Welt gesetzt hat“.
Im Gespräch erkundigten sich die Abgeordneten unter anderem nach Strategien, junge Menschen an der Endlagersuche gezielt zu beteiligen, außerdem fragten sie nach der Zusammenarbeit zwischen den Gremien und Ansätzen, um das Verfahren zu beschleunigen. Zudem interessierte sie der Zeitplan des weiteren Standortauswahlprozesses.
Die Stellungnahmen der Gremien sowie das Video des Fachgesprächs auf bundestag.de: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw19-pa-umwelt-endlagersuche-891432
Sachverständige fordern klares Bekenntnis zum Atomausstieg
Stellungnahmen
- Tätigkeitsberichts NBG, A.Drs. 20(16)34
- Stellungnahme Nationales Begleitgremium , A.-Drs. 20(16)35
- Stellungnahme Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mbH, A.-Drs. 20(16)36
- Stellungnahme Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) , A.-Drs. 20(16)37
Die Statements sind auch hier direkt als Zip-Datei zum Download.
Weitere Informationen
Festhalten am Atomausstieg gefordert
Klaus Brunsmeier, NBG-Vertreter und Mitglied des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), mahnte daher eindringlich, an dem Ausstieg festzuhalten. Es dürfe keine längeren Laufzeiten für noch am Netz befindliche Atomkraftwerke geben. Für das Weiterbestehen des Vertrauens in den Prozess der Endlagersuche sei es zentral, dass der mit dem Standortauswahlgesetz gefundene „gesellschaftliche Konsens“ nicht infrage gestellt werde.
Zudem drängte Brundmeier angesichts der kriegsbedingt gestiegenen Gefahren für Atomanlagen auf eine „schnellstmögliche tiefengeologische Lagerung“ radioaktiver Abfälle. Die Lagerung in einem verschlossenen Bergwerk stelle die im Vergleich zu anderen Lageroptionen sicherste Lösung dar. Weiter regte er im Gespräch mit dem Abgeordneten an, schon jetzt auch ein partizipatives Verfahren zur Zwischenlagerung zu beginnen. „Die Menschen wollen zu Recht wissen, wie es weitergehen soll.“ Die Genehmigungen liefen Mitte des kommenden Jahrzehnts aus, und es sei schon jetzt absehbar, dass dann noch kein Endlager zur Verfügung stehen werde. Bis 2031 soll allerdings, so schreibt es das Standortauswahlgesetz von 2017 vor, ein geeigneter Standort für ein Endlager gefunden werden.
Strategie zur Beteiligung junger Menschen gefordert
Dr. Dr. hc. Markus Dröge, ebenfalls NBG-Vertreter und ehemaliger Bischof der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, betonte zudem die Notwendigkeit einer langfristigen Strategie zur Beteiligung junger Menschen am Standortauswahlverfahren. Er äußere auch die Sorge, dass das Verfahren, das die Zusammenarbeit von Behörden und ehrenamtlichen Bürgern vorsehe, vor allem bei letzteren zu „Zermürbungserscheinungen“ führe. Bürger erlebten die „hierarchische und absicherungsorientierte Arbeitsweise von Behörden“ oft als zu kompliziert und intransparent. „Sie fühlen sich schleichend ausgegrenzt und nicht genug wertgeschätzt“, sagte Dröge und bat um Unterstützung für den Vorschlag des NBG, die drei am Verfahren beteiligten Gremien – neben dem NBG auch das BASE und die BGE – zweimal jährlich an einen „Runden Tisch“ zu holen.
Stefan Studt, Geschäftsführer der BGE, bekannte sich zur Öffentlichkeitsbeteiligung als Grundvoraussetzung für das Gelingen des Standortauswahlprozesses. Er verwies in dem Zusammenhang auf die Teilnahme der BGE an 170 Veranstaltungen in Städten und Kommunen, 1200 beantwortete Bürgeranfragen und 130 eigene Veranstaltungen, darunter Workshops und Planspiele.
Von der Benennung von Standortregionen „noch weit entfernt“
Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), betonte ebenfalls die „umfassende und lückenlosen Information und Beteiligung der Öffentlichkeit“ als Kern eines Verfahrens, das Vertrauen schaffen und Gerechtigkeit im Standortauswahlprozess herstellen solle. Das BASE, als Aufsichtsbehörde auch verantwortlich für die Öffentlichkeitsbeteiligung, habe daher 2021 die Fachkonferenz Teilgebiete in mehreren Veranstaltungen durchgeführt, im Ende Mai starte nun das Forum Endlagersuche. das als kontinuierliches Beteiligungsformat die weitere Endlagersuche begleiten solle. Insgesamt betrachtet befinde sich der Standortauswahlprozess in einem Zwischenstadium. Zwar lege der Zwischenbericht nun 90 Teilgebiete fest, die im weiteren Verfahren als möglicher Endlagerstandort in Betracht gezogen werden könnten, dennoch sei man noch „weit davon entfernt“, konkrete Standortregionen zu benennen. Doch man stehe bei der Endlagersuche auch vor eine immensen Aufgabe: Ziel sei die sichere Endlagerung der „gefährlichsten Stoffe, die die Menschheit je in die Welt gesetzt hat“.
Im Gespräch erkundigten sich die Abgeordneten unter anderem nach Strategien, junge Menschen an der Endlagersuche gezielt zu beteiligen, sie fragten nach der Zusammenarbeit zwischen den Gremien und Ansätzen, um das Verfahren zu beschleunigen. Zudem interessierte sie der Zeitplan des weiteren Standortauswahlprozesses. (sas/11.05.2022)