Mit russischer Hilfe: Uran-Brennstoff aus Lingen für osteuropäische Reaktoren
Am Standort der Uran-Brennelemente-Fabrik in Lingen mischt nun auch die russische Atommacht mit. Im Emsland sollen künftig Uran-Brennelemente für russische Atomreaktoren vor allem in Osteuropa hergestellt werden. Das Niedersächsische Umweltministerium (NMU) bestätigte auf Anfrage: „Nach hiesigem Kenntnisstand haben die Framatome und die russische TVEL in Frankreich ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet.“ Einen Antrag zur Erweiterung der nuklearen Produkutplatette hatte die zu Framatome gehörende „Advanced Nuclear Fuels Lingen“ (ANF Lingen) im letzten Jahr gestellt. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit ist im laufenden Atomrechtsverfahren nach Bescheid des niedersächschischen Umweltministeriums nicht vorgesehen.
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Framatome gehört dem französischen staatlichen Atomkonzern Orano und betreibt in Lingen die Herstellung von Uran-Brennelementen für Atomkraftwerke westlicher Bauart. Bis heute ist die Anlage – wie auch eine weitere Uranfabrik in Gronau – vom Atomausstieg ausgenommen.
- Framatome sucht Arbeitskräfte für den Atomdeal. Am Standort in Erlangen werden Experten für VVER-Brennelemente gesucht, hier und hier. (Z.B: Projekt-Manager (m/w/d) VVER Codes & Methods, Ihre Missionen: Als Projekt-Manager (m/w/d) VVER Codes & Methods sind Sie für die Beschaffung und Lizensierung eines Codes & Methods (C&M) Portfolios mit dem Ziel der Entwicklung und Markteinführung von VVER-Brennelementtypen (1000 und 400) verantwortlich. Oder: Projektmanager (m/w/d) VVER-1000 Fuel Assembly Design – Ihre Missionen: Als Projektmanager (m/w/d) VVER-1000 Fuel Assembly Design leiten Sie die technische Entwicklung (Design) des neuen Framatome VVER-1000-Brennelements und dessen Unterkomponenten. ….)
Trotz des Krieges Russlands gegen die Ukraine bleiben bis heute Sanktionen gegen die Atomkooperation der EU (und der USA) mit Russland aus. Während z.B. bei den Gas-importen mit großem Geschrei ein Boykott russischer Lieferungen erfolgte, werden Uran-Brennstoffe weiterhin ungehindert von Russland in die EU importiert, zur Herstellung von Brennelementen oder auch direkt zum Betrieb von Atommeilern eingesetzt.
Frankreich und Russland planen mit dieser Atom-Partnerschaft – trotz des Krieges in der Ukraine – künftig von Lingen aus Brennelemente für vor allem osteuropäische Reaktoren russischen Typs herzustellen. Ein entsprechender Genehmigungsantrag liegt seit letztem Jahr beim zuständigen Umweltministerium in Niedersachsen vor. Eine Beteiligung der Öffentlichkeit im Atomrechtsverfahren hatte das NMU bereits im Herbst letzten Jahres für nicht erforderlich erklärt.
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In der Antwort auf eine entsprechende Anfrage von umweltFAIRaendern an die Pressestelle des NMU bestätigt der zuständige Referatsleiter der Rechtsabteilung, Dr. Daniel Gelmke, dass in Lingen künftig „hexagonale Brennelemente für VVER-Druckwasserreaktoren russischer Bauart gefertigt werden“ sollen.
Zum Umfang der beantragten Genehmigung heißt es weiter: „Die mit den bisherigen atomrechtlichen Genehmigungsbescheiden für die Brennelementfertigungsanlage Lingen getroffenen Festlegungen für zulässige Verarbeitungsmengen von Uran sollen nicht verändert werden (Anlagenzweck: Herstellung von Brennelementen für Leichtwasserreaktoren mit einer maximalen Anreicherung an Uran-235 von 5 Gewichtsprozenten; Verarbeitungsleistung: Trockenkonversion: 800 t Uran pro Jahr, sonstige Teilanlagen 650 t Uran pro Jahr).“
Der Grund, warum offenbar keine Vergrößerung der Anlage, aber eine Ausweitung der Uran-Produkte erfolgt, dürfte sein, dass die Brennelemente-Herstellung seit Jahren nicht ausgelastet ist und bei nur rund 50 Prozent plus minus liegt. Aktuelle Daten konnte das Ministerium nicht nennen. Aber frühere Angaben, z.B. in Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen des Bundestages, hatten die geringe Auslastung bestätigt.
Zuletzt hatte die ANF in Lingen im Januar 2023 88 BE mit 25,934 tU sowie zusätzliche Produkte an Kunden ausgeliefert, heißt es auf der Homepage des Unternehmens.
Zwar kann das Ministerium nicht sagen, woher das Uran für die Fertigung der VVER-Brennelemente kommen wird, konkretisiert aber auf Nachfrage, woher der Betreiber der Uranfabrik in Lingen die Expertise zur Herstellung solcher speziellen Brennelemente hat: „Die hexagonalen Brennelemente sind für die Belieferung osteuropäische VVER-Druckwasserreaktoren russischer Bauart vorgesehen. Die Fertigung der hexagonalen Brennelemente soll als Lizenzfertigung erfolgen.“
Zum derzeitigen Verfahrensstand bei der Genehmigung will sich das Ministerium im einzeln nicht äußern. Allerdings sagte Gelmke: „Eine öffentliche Informationsveranstaltung des NMU ist derzeit nicht vorgesehen. Herr Minister Meyer setzt sich aber gegenüber der Advanced Nuclear Fuels GmbH dafür ein, dass diese in absehbarer Zeit über das Vorhaben öffentlich informiert.“
Niedersachsen und auch die Bundesregierung setzen sich für den Ausstieg aus der Atomenergie ein. Auf Nachfragen, wie den die Erweiterung der nuklearen Produktpalette bei der ANF in Lingen mit dem Ziel Atomausstieg steht, teilt Gelmke mit: „„In der Tat setzt sich die Landesregierung für eine Stilllegung der Brennelementefertigung in Deutschland ein. Dies hat auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke öffentlich unterstützt. Notwendig dafür ist aber eine Änderung des Atomgesetzes durch den Bundestag. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) nimmt die Rechts- und Zweckmäßigkeitsaufsicht im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung für das Genehmigungsverfahren wahr.“
Während sich die FDP als Koalitionspartner in der Bundesregierung seit längerem für eine Fortsetzung der Atomenergie einsetzt, haben die Grünen nicht nur einer befristeten Laufzeitverlängerung zuletzt zugestimmt. Da im Koalitionsvertrag keine Regelungen zur Stilllegung der Uranfabriken enthalten sind, hatten die Grünen mit Blick auf die Uranfabriken bislang „die Füße in dieser Frage stillgehalten“. Auch im Niedersächsischen Koalitionsvertrag ist dazu konkret wenig zu finden.
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