Hochradioaktiv: Langfristige oberirdische Atommülllagerung und Krieg – BASE-Präsident Wolfram König: „Kein Sicherheitsrabatt“

Hochradioaktiv: Langfristige oberirdische Atommülllagerung und Krieg – BASE-Präsident Wolfram König: „Kein Sicherheitsrabatt“

Atomenergie ist vor allem die Geschichte großer Versprechungen. Immer war sie teurer als angekündigt, es gab katastrophale Unfälle, die eigentlich gar nicht möglich waren und am Ende bleibt jede Menge Atommüll. Bei der Endlagersuche für den Atommüll geht es kaum voran – weltweit. In Deutschland ist inzwischen klar: Der noch vor Kurzem gefeierte “Neustart” für hochradioaktiven Strahlenmüll mit dem Standortauswahlgesetz ist irgendwie doch eher ein Rohrkrepierer. Angestrebt war, bis 2031 einen Standort identifiziert zu haben. Daraus aber wird nichts, sagen nun Behörden, Ämter und Unternehmen. Die Folge: Wenn das hochradioaktive Zeug nicht unter die Erde kommt, muss es – sehr viel länger – oberirdisch gelagert werden. Möglicherweise bis ins nächste Jahrhundert hinein. Das war nie geplant und stellt massive Fragen an die Sicherheit. Nicht nur technische, sondern angesichts wachsender Gefahren auch durch wachsende Terror-Risiken und nun auch möglicherweise durch kriegerische Entwicklungen. Wolfram König, Chef der bundesdeutschen Atommüll-Behörde Base in der Augsburger Allgemeinen: „Es stellt sich somit auch die Frage, ob zukünftig auch kriegerische Ereignisse stärker in die Sicherheitsbetrachtungen einfließen müssten.“ Die Antwort ist mit Blick auf Saporischschja klar: Es braucht nicht nur Betrachtungen, es braucht neue Lösungen! Was denn sonst?

Die Augsburger Allgemeine hatte sich jüngst mit dem Thema der weiteren oberirdischen Lagerung des hochradioaktiven Atommüll befasst, nachdem der BUND eine neue Studie zu den Sicherheitsmängeln und neuen Risiken bei der Zwischenlagerung hochaktiver Abfälle vorgelegt hatte.

Bereits in rund fünf Jahren – ab 2028/29 müssen die bundesdeutschen Atom-Instanzen die Genehmigungsverfahren für die bestehenden Atommülllager-Hallen der ersten Generation in Gorleben und Ahaus eröffnen und bis Mitte der 2030er Jahre komplett neue Genehmigungen erteilen. Auch der Deutsche Bundestag wird dann direkt in dem Verfahren beteiligt sein. So ist das im Atomgesetz geregelt. Die Vorbereitungen dafür sind längst im Gange. Nach einer Frist von 40 Jahren muss das jetzt gesamte Konzept der Zwischenlagerung komplett neu genehmigt werden, – auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik – und auf dem Stand der jeweiligen zivilisatorischen Risiken.

  • Einer der Prüfsteine dürfte der Neubau eines Zwischenlagers in Lublin bei Greifswald sein. Der dort notwendige gewordene Neubau ist noch im Genehmigungsverfahren und wurde erforderlich, nachdem die alte Halle nicht gegen die erhöhten Anforderungen bei der Sicherung gegen Terror-Anschläge nachgerüstet werden kann. Nachrüstungen, die derzeit überall an den Zwischenlagerstandorten stattfinden. Damit werden aber lediglich die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden nach den Terroranschlägen von 911 im Jahr 2001 nachgerüstet – etwa mit Stand 2010/11. Atommüll: Laufzeitverlängerung hochradioaktiver Zwischenlagerung – Neubau Lublin wegen fehlendem Terrorschutz.
  • Im behördendeutsch wird bei der Frage des Terrorschutzes nuklearer Anlagen von SEID gesprochen. Das ist der “Schutz vor sonstigen Einwirkungen Dritter”. Hier alles zum Thema SEWD auf umweltFAIRaendern.de

Laut AA hatte Wolfram König, Chef des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) davon gesprochen, “dass die Suche nach einem geeigneten Standort länger als von dem Bundesunternehmen angegeben dauern wird. „Die Annahmen enthalten leider große Unsicherheiten. Wir brauchen aber einen belastbaren Zeitplan für ein Endlager, auch um damit für die anderen betroffenen Bereiche realistisch planen zu können.“

Die Zeitung will richtigerweise Wissen: “Und was heißt das für die Zwischenlager? Denn sein Amt erteilt die Genehmigungen für die Aufbewahrung hoch radioaktiver Abfälle. König betont, die Sicherheit aller Zwischenlager sei „nach aktuellen Maßstäben gewährleistet“. Dies wird laufend durch die Landesatomaufsichten kontrolliert. Aber er sagt auch: „Mit der Verlängerung der Endlagersuche über so einen Zeitraum hinweg ergeben sich sicherheitsrelevante Fragen, die jetzt zur Diskussion gestellt werden müssen: Sind die bisherigen Sicherheitsanforderungen auch für einen längeren Zeitraum als den bislang vorgesehenen ausreichend?“

  • Was er nicht sagt: In Lubmin muss – siehe oben – ein neues Zwischenlager gebaut werden, weil die Sicherheit mit baulichen Maßnahmen im bisherigen Gebäude nicht gewährleistet ist, sondern nur mit „temporären Maßnahmen“. Was genau das ist, wird nicht gesagt. In Jülich lagert hochradioaktiver Müll seit nun bald 10 Jahren ohne ausreichende atomgesetzliche Genehmigung. Und auch das Zwischenlager in Brunsbüttel verfügt seit viele Jahren nicht über die vorgeschriebene atomgesetzliche Genehmigung. Immer mehr wird Atommüll im Ausnahmezustand jenseits des Atomgesetzes geduldet.

Wie es möglicherweise mit Blick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung in der Debatte um die künftigen Sicherheitsanforderungen bei der Atommülllagerung weitergehen kann, hatte Gerrit Niehaus, oberster Atomaufseher im Bundesumweltministerium, jüngst auf einer Veranstaltung des Atommüllreports in Aussicht gestellt. Die Bundesregierung muss im nächsten Jahr der EU einen Bericht über den weiteren Umgang mit den atomaren Abfällen vorlegen. Dazu muss das so genannte Nationale Entsorgungsprogramm angesichts vieler Probleme umfassend neu erarbeitet werden. Daher wird die Neufassung mit einer Strategischen-Umwelt-Prüfung SUP stattfinden, hatte Niehaus erklärt.

In der AA wird auch die BGZ befragt, die bundeseigene GmbH, die konkret die Zwischenlagerung an den quer über Deutschland verteilten Standorten betreibt. Dabei sagt der BGZ-Sprecher “mit Blick auf ein etwaiges Kriegsszenario”: Die Zwischenlager gehörten zu den „bestgesicherten Objekten in Deutschland“. Die AA schreibt dann mit Bezug auf den Sprecher: “Um den Schutz zu verstärken, würden beispielsweise an allen BGZ-Zwischenlagernzusätzliche Stahlbetonwände errichtet, ferner böten die Abwehrmaßnahmen grundsätzlich auch „einen gewissen Schutz bei kriegerischen Auseinandersetzungen“. Aber: „Einen vollständigen Schutz gegen jeglichen denkbaren Angriff mit Kriegswaffen durch die Armee eines anderen Staates können allerdings weder ein Staat noch ein Betreiber einer atomaren Anlage vornehmen oder gewährleisten. Der beste langfristige Schutz für Mensch und Umwelt im Umgang mit radioaktiven Stoffen ist es, diese dauerhaft von Mensch und Umwelt zu isolieren und sie in einem tiefengeologischen Endlager aufzubewahren.“

Die BGZ hat ein Forschungsprogramm aufgelegt, um die Anforderungen für eine Neu-Genehmigung der verlängerten Atommüll-Zwischenlagerung zu ermitteln und Risiken abzuschätzen. Das Programm wird auch als unzureichend kritisiert, weil es neuere Entwicklungen nicht berücksichtigt und bestimmte Aspekte einfach ausklammert. Auch die deutlich verlängerten zeitlichen oberirdischen Lagernotwendigkeiten seien nicht abgebildet. Wesentlich ist dabei auch die Frage, wie oberirdische Atomanlagen auf Kriegsszenarien ausgelegt werden können. Es geht ja nicht nur einen “vollständigen” Schutz, sondern vielleicht um einen, der zumindest einen deutlich höheren Schutzstandard bietet, als bisher.

Dabei ist tatsächlich auch grundsätzlich die Bundesregierung gefordert, die hier neue Maßstäbe definieren muss, – und nicht nur ein Unternehmen, welches die Anforderungen des Gesetzgebers umsetzen und sicherstellen muss. Allerdings: Es könnte auch ein Selbstverständnis eines solchen staatlichen Unternehmens sein, der Bundesregierung Empfehlungen und Hinweise über mögliche Nachbesserungen zu liefern. Dazu würde in jedem Fall gehören: Nie wieder Atomenergie!

Informationen über staatlche Forschung in Sachen Atom gibt es in den folgenden Links – die ich aber selbst noch nicht geprüft habe:

  • https://foerderportal.bund.de/

Weitere Informationsquellen

  • https://www.base.bund.de/DE/themen/fa/ne/nukleareentsorgung_node.html
  • insb. https://www.base.bund.de/DE/themen/fa/ne/projekte-ende/projekte-ende.html
  • und https://www.base.bund.de/DE/themen/fa/ne/projekte-aktuell/projekte-aktuell.html
  • https://www.base.bund.de/DE/themen/fa/uebergreifende-forschung/uebergreifende-forschung_node.htmlhttps://www.evergabe-online.de/search.html?0&cookieCheck
  • https://www.bmuv.de/ministerium/foerderung-und-forschung/forschung/ressortforschung-forschungsrahmen
  • bzw. direkt https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Forschung/ressortforschungsplan_gesamt_2023_bf.pdf
  • https://www.foerderinfo.bund.de/foerderinfo/de/home/home_node.html

dirkseifert

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