Atomtransporte Jülich nach Ahaus: Kommt die Genehmigung noch in diesem Jahr?

Atomtransporte Jülich nach Ahaus: Kommt die Genehmigung noch in diesem Jahr?

Ausweichend reagiert das für die geplanten 152 Castortransporte mit hochradioaktivem und außerdem hochangereichertem Uran von Jülich nach Ahaus zuständige Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) auf Nachfragen zur Erteilung der erforderlichen Transportgenehmigung. „Das Verfahren befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium,“ teilte das Bundeamt auf Anfrage von umweltFAIRaendern.de mit. Mit dem Transport befasste Beteiligte hatten eine Genehmigung noch in diesem Jahr erwartet. Besonders Risikoreich sind diese Atomtransporte, weil über die unmittelbar bestehenden Gefahren sowohl die Terrorrisiken und die Risiken vor dem Hintergrund des russischen Kriegs in der Ukraine massiv gewachsen sind.

Mit Blick auf diese Gefahrenlage erklärte ein Sprecher von BASE gegenüber umweltFAIRaendern: „Die Prüfungen im Genehmigungsverfahren stellen sicher, dass durch Maßnahmen des Beförderers ein hohes Maß an Schutz gegen Angriffe auf solche Transporte gewährleistet ist. Diese werden ergänzt durch Maßnahmen der Innenbehörden. Die Gefährdungslage in Deutschland im Zusammenhang mit Transporten von Kernbrennstoffen unterliegt einer ständigen Gefährdungsbewertung durch die Sicherheitsbehörden. Durch die Beteiligung der Sicherheitsbehörden sowohl im Genehmigungsverfahren als auch vor jeder Transportdurchführung ist sichergestellt, dass potentiellen Änderungen der Gefährdungsbewertung bei Bedarf Rechnung getragen wird.“

Möglicherweise werden die Aussagen des BASE in dieser Sache auch noch von Gerichten zu bewerten sein. Die Stadt Ahaus und andere haben Klagen angekündigt. Außerdem nehmen Proteste gegen die Atomtransporte zu. Die BI Ahaus informiert hier. Siehe auch hier Westcastor.  Siehe auch www.ausgestrahlt.de. Siehe auch hier BUND NRW.

Schon zuvor hatte das Bundesamt im Zusammenhang mit den Terrorrisiken und den Ereignissen um die Atomanlagen in der Ukraine gewarnt, dass es einer neuen Sicherheitsbewertung der Atomanlagen bedarf. Der scheidende Präsident des BASE, Wolfram König hatte in einem Interview betont: „Risikopotenzial, das wir bisher nicht erlebt haben“. Auf der Homepage des Bundesamts ist zu lesen: „In der Ukraine sind Atomanlagen durch den russischen Angriffskrieg bedroht.“ Der BASE-Präsident betont darauf hin, dass über die Sicherheitskonzepte von vorhandenen atomaren Anlagen im Hinblick auf die Ereignisse in der Ukraine neu nachgedacht werden.“ (Interview mit riffreporter.de)

Dort spricht König klartext: „Wir erleben erstmalig, dass in einem Krieg Nuklearanlagen unmittelbares Ziel von Angriffen sind – eine Situation, für die Anlagen weder bei uns noch in der Ukraine vollständig ausgelegt sind. Das ist sehr beunruhigend. Es gab bisher noch keine ähnliche Situation? Meines Wissens nicht, und die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat ja extra eine Regel geschaffen, um eine solche Situation unbedingt zu verhindern. Jeder bewaffnete Angriff auf Atomanlagen, die friedlichen Zwecken dienen, und jede Bedrohung für sie bedeutet einen Verstoß gegen die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, des Völkerrechts und der Satzung der IAEA. Diese Regeln hat Russland nun gebrochen. Die Szenarien, über die wir jetzt nachdenken müssen, entstammen der Sphäre der militärischen Nutzung von Kernenergie im Gegensatz zur zivilen Nutzung. Da wurde jetzt eine Schwelle überschritten.

Auch im Tagesspiegel (8.8.2022, Background) hatte sich der BASE-Präsident entsprechend geäußert: „Brauchen neue Risikobewertung wegen des Krieges“. Das Interview ist hier in voller Länge bei BASE direkt als PDF online.

Atomare Irrwege: Strahlendes Erbe eines gescheiterten deutschen Sonderwegs

In Jülich lagern die hochradiaoktiven Atomabfälle aus dem ehemaligen kommerziell betriebenen Versuchsreaktor AVR. Diese Spezialentwicklung eines Atomreaktors sollte mal ein Exportschlager der deutschen Atomwirtschaft werden, hat aber nie funktioniert. Auch ein weiterer kommerzieller Versuch mit einen solchen „Thorium-Hochtemperatur-Reaktor“ (THTR) in Hamm-Uentrop scheeitere damals. Umstritten war diese Reaktor-Linie vor allem, weil die Bundesrepublik für den Betrieb auf hochangereichertes atomwaffenfähiges Uran setzte und damit Tür und Tor für die Verbreitung des Bomben-Stoffes geöffnet hätte. Aus dem Exportschlager wurden Atomruinen und übrig blieb hochangereicherter strahlenderAtommüll.

Ohne Endlager: Von Zwischenstation zu Zwischenstation?

Seit weit über zehn Jahren läuft der Streit zwischen Betreibern (Bund und Land NRW), den damit zuständigen Bundes- und Landesbehörden und der Politik, was mit dem Atommüll weiter passieren soll. Eine absurde Variante, diese überaus brisanten Abfälle in die USA zu verschiffen, ist erst vor etwas mehr als einem Jahr endgültig ausgeschieden. Grüne in NRW, Anti-Atom-Gruppen und Umweltverbände und zuletzt die Landesregierung in NRW votierten für einen Neubau eines Zwischenlagers am Standort in Jülich, um die enormen Gefahren beim Transport dieser brisanten Fracht zu vermeiden.

Doch zuletzt sind die Grünen in NRW und die dortige Landesregierung in dieser Sache auf Tauchstation gegangen und verweisen auf die Bundespolitik. Die nämlich will das Land NRW in die Pflicht nehmen, wenn nicht die billigste Lösung Vorrang erhält. Dann soll das Land NRW die entstehenden weiteren Kosten übernehmen. Tatsächlich haben Bundesbehörden und die Regierungs-Mitglieder im Haushaltsausschuss des Bundestages – also auch der Grünen – dafür votiert, nun die angeblich kostengünstigere schnellere Variante zu wählen und die 152 Castorbehälter in das Zwischenlager Ahaus (NRW) zu bringen.

Eine tatsächliche Kostenanlayse mitsamt der beim Tansport anfallenden enormen Sicherungskosten ist öffentlich jedoch genauso wenig bekannt, wie eine notwendige Sicherheitsbewertung über einen Verbleib des Atommülls in Jülich oder dem Transport nach und die Lagerung im Zwischenlager Ahaus.

Das Lager in NRW verliert Mitte der 2030er Jahre seine Betriebsgenehmigung und muss komplett durch ein neues Genehmigungsverfahren nach Stand von Wissenschaft und Technik durchlaufen. Außerdem muss der Bundestag zustimmen. Mögicherweise in rund 10 Jahre könnte also ein erneuter „Umzug“ für den Jülicher Atommüll anstehen, sollte es zu den Transporten kommen.

Um die Transporte-Option zu ermöglichen sind besonders gepanzerte Spezialfahrzeuge entwickelt worden, weit über 120 Tonnen schwer. Probefahren mit den extrem langen Fahrzeugen haben in den letzten Wochen bereits zwei Mal stattgefunden. Für die Umsetzung der Option Transporte von Jülich nach Ahaus steht eine Transportegenehmigung von BASE aus. Beteiligte hatten zuletzt die Erwartung formuliert, dass eine solche Genehmigung noch in diesem Jahr erfolgen würde.

Obwohl alles auf Transporte von Jülich nach Ahaus hinweist: Es gibt weiterhin Planungen für den Bau eines neuen Zwischenlagers in Jülich. Dazu hat die Landesregierung die erforderlichen Mittel bereit gestellt, eine Fläche ist vorhanden. KORREKTUR 27122023:  und ein Bau-Antrag bei BASE ist gestellt. Aber: Noch ist der Antrag nicht vollständig eingereicht, teilt das Bundesamt auf Nachfrage von umweltFAIRaendern.de mit (siehe) unten. Fehler von UmweltFAIRaendern: Das BASE hat (siehe unten) mitgeteilt, dass es bislang keinen Bau-Antrag für ein neues Lager von JEN gibt. Es gibt lediglich einen Antrag für eine Fristverlängerung des bisherigen Lagers, für den aber noch immer Unterlagen fehlen, so BASE. (Ich bitte diesen Fehler zu entschuldigen!)

Die Fragen von umweltFAIRaenern.de und die Antworten der Pressestelle des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorung BASE im Wortlaut:

1. Wird die Genehmigung der Transporte von Jülich nach Ahaus noch in diesem Jahr erfolgen oder bis wann rechnen sie mit einer solchen? Welchen Aspekte stehen im Moment in der Prüfung?

Zu Frage 1)
Die Orano NCS GmbH hat für den Betreiber JEN den Antrag auf Beförderung von 152 Behältern des Typs CASTOR THTR/AVR mit bestrahlten AVR-Brennelementen vom AVR-Behälterlager Jülich zum Transportbehälterlager Ahaus gestellt. Für die Genehmigung von Transporten von Kernbrennstoffen ist das BASE zuständig. Das Verfahren befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium. Das BASE erteilt nur dann eine Genehmigung, wenn zuvor alle Anforderungen des Atomgesetzes – insbesondere die Sicherheit – nachgewiesen wurden. Die Genehmigung wird also nur dann erteilt, wenn der Antragsteller die notwendigen Unterlagen beim BASE einreicht hat, das BASE diese gründlich bewertet hat und zu dem Ergebnis kommt, dass alle Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen.

2. Welche besonderen Aspekte sind aufgrund sowohl der hohen Radioaktivität als auch der Hochanreicherung bei den Transporten zu beachten und in welcher Weise werden daher besondere Sicherheits- oder Sicherungsmaßnahmen notwendig bzw. veranlasst.

Zu Frage 2)
U.a. das zu transportierende Inventar und seine konkreten Eigenschaften, wie z.B. der Grad der Anreicherung, bestimmen gemäß den anzuwendenden Richtlinien und Regeln Art und Umfang der vom Beförderer zu treffenden Sicherheits- und Sicherungsmaßnahmen; dies ist für alle Beförderungsgenehmigungsverfahren der Fall.

3. Gibt es Maßnahmen und wenn ja welche, die angeordnet werden, die in Zusammenhang mit der aktuellen Lagebewertung und mit einer erhöhten Terrorgefahr im Jahr 2023 ff stehen, z.B. Aufgrund der Ereignisse im Nahen Osten bzw. darüber hinaus im Zusammenhang mit dem Krieg Russslands in der Ukraine? Und aufgrund welcher Abwängungen und Maßnahmen ist eine Durchführung derartiger Atomtransporte trotzdem verantwortbar?

Zu Frage 3)
Die Prüfungen im Genehmigungsverfahren stellen sicher, dass durch Maßnahmen des Beförderers ein hohes Maß an Schutz gegen Angriffe auf solche Transporte gewährleistet ist. Diese werden ergänzt durch Maßnahmen der Innenbehörden. Die Gefährdungslage in Deutschland im Zusammenhang mit Transporten von Kernbrennstoffen unterliegt einer ständigen Gefährdungsbewertung durch die Sicherheitsbehörden. Durch die Beteiligung der Sicherheitsbehörden sowohl im Genehmigungsverfahren als auch vor jeder Transportdurchführung ist sichergestellt, dass potentiellen Änderungen der Gefährdungsbewertung bei Bedarf Rechnung getragen wird.

4. Wie lange könnten die AVR-BE im Rahmen der derzeitigen Rechtslage noch in Jülich verbleiben und wird das BASE zeitnah eine Genehmigung zur einer möglicherweise befristeten regulären Zwischenlagerung in Jülich erteilen?

5. Ist BASE bekannt, ob die Atomaufsicht in NRW plant, die Räumungsverfügung zeitnah aufzuheben?

Zu Frage 4) und 5)
Es ist die Aufgabe des Betreibers JEN, die weitere Zwischenlagerung der AVR-Brennelemente zu planen und sicherzustellen, sowie eine Genehmigung für die Aufbewahrung zu erlangen. Für das bestehende Zwischenlager in Jülich hat die JEN beim BASE eine auf neun Jahre befristete Aufbewahrungsgenehmigung beantragt. Dazu liegen dem BASE nach wie vor nicht alle für eine Genehmigung erforderlichen Nachweise vor. Die Bewertung aller sicherheitstechnischen Fragen ist noch nicht abgeschlossen. Zu der Art der noch nötigen Unterlagen äußert sich das BASE in einem laufenden Genehmigungsverfahren prinzipiell nicht im Detail. Wann das BASE die Genehmigung erteilen kann, hängt maßgeblich davon ab, wann die JEN die noch ausstehenden Unterlagen einreicht, und ob sich die noch zu prüfenden Unterlagen in der Prüfung als anforderungsgerecht erweisen. Einen Antrag für einen Neubau eines Zwischenlagers in Jülich hat der Betreiber bislang noch nicht beim BASE gestellt.

dirkseifert

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