Risiken und Gefahren bei Zwischenlagerung hochradioaktiver Atomabfälle? Für Bayerns Verwaltungsgerichtshof ist alles sicher
Im Krieg Russlands gegen die Ukraine zeigt sich rund um den größten europäischen Atomkomplex mit sechs Reaktoren und benachbarten Atommülllagern der nukleare Wahnsinn. Atomenergie in Verbindung mit Terror, mit Krieg und Destabilisierung inklusive Cyber-Risiken. International wachsen die Risiken. Dennoch urteilt der bayerische Verwaltungsgerichtshof in der letzten Woche, dass die weitere Zwischenlagerung hochradioaktiven Atommülls in Castorbehältern in Gundremmingen nicht zu beanstanden ist und die Genehmigung des dortigen Standortlagers in kraft bleibt. Obwohl Sicherheitsbewertungen im Zusammenhang mit Anti-Terror-Maßnahmen in Teilen auch dem Gericht nicht zugänglich sind, sind die Richter in München der Auffassung, dass die staatlichen Verantwortlichen beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BaSE) sowie die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) alle Vorsorge- und Schutz-Maßnahmen nach dem Gesetz getroffen hätten, die gegen Angriffe von außen oder hinsichtlich technischer Risiken erforderlich wären. Aber reicht das? Zuletzt hatte eine Atomgesetzänderung die Rolle der staatlichen Atombehörden gegenüber den Gerichten gestärkt und deren Kontrollbefugnisse eingeschränkt.
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Nach dem Urteil zur Zwischenlagerung hochaktiver Abfälle in Brunsbüttel, mit dem es zu einer Aufhebung der dortigen Genehmigung kam, hat der Bundestag eigens das Atomgesetz geändert und ausdrücklich gegenüber Bürger:innen und Gerichten die Entscheidungskompetenzen der staatlichen Kontrollbehörden erhöht und gestärkt. Die Gerichte müssen demnach akzeptieren, wenn Behörden aus Gründen des Geheimschutzes den Gerichten entsprechende Unterlagen und Nachweise verweigern und die eigenständige Prüfung unterbinden. Diese neue Rechtslage hatte auch erhebliche Relevanz für das Verfahren, das Kläger aus der Umgebung des Atomstandorts in Gundremmingen bei Augsburg angestrengt hatten.
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Tatsächlich haben bundesdeutsche Behörden und Betreiber aufgrund erhöhter Sicherheitsrisiken und Gefährdungslagen bauliche und andere Nachrüstungen an den bestehenden Zwischenlagern für hochradioaktive Abfälle angeordnet. Ob diese ausreichend sind, ist allerdings umstritten. Während rund um die Zwischenlager-Bauten Wände verstärkt werden, bleiben die Dächer der Lagerhallen wie sie sind. Ob aber die Schutzmauern ausreichend sind, ist kaum zu überprüfen, weil diese so genannten Härtungen allesamt unter Geheimschutz erfolgen und unabhängig nicht überprüft werden können.
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An über 15 Standorten in Deutschland sind diese inzwischen (teilweise) umgesetzt oder sogar noch in der Genehmigung. In Lubmin können Nachrüstungen am Bestand nicht erfolgen, ein Neubau ist im Schneckentempo im Genehmigungsverfahren.
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In Brunsbüttel, wo die Genehmigung vor rund 10 Jahren vom Gericht aufgehoben wurde, ist bis heute weder eine neue Genehmigung erteilt noch sind Nachrüstungen umgesetzt. Dabei hat sich dort die Gefahrenlage noch mal verschärft, weil dort nun auch noch ein hochexplosiver LNG-Terminal unweit vom Zwischenlager die Risiken erhöht. Hinzu kommt: Die Zwischenlagerung dieser Abfalle wird nicht wie jahrelang versichert, 40 Jahre dauern, sondern vermutlich 100 Jahre oder länger. Grund: Die Suche nach einem Endlagerstandort und der dann anschließende unterirdische Ausbau wird erheblich länger dauern, als bislang angenommen.
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Zuletzt hatte beispielsweise der BUND auf Mängel bei der Zwischenlagerung hochradioaktiver Atomabfälle in einer Studie hingewiesen.
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Doch obwohl angesichts der zunehmenden Konflikte und Krisen bis hin zum Krieg die Risiken für Atomanlagen steigen und die verlängerten Zwischenlagerzeiten Hinweise liefern, dass es Nachrüstungsbedarf gibt, vertraut der Verwaltungsgerichtshof in Bayern den Versicherungen preußischer Genehmigungsbehörden in Berlin.
- Das schriftliche Urteil des VG München vom 8. April 202 ist hier als PDF.
Dokumentation: PM des Verwaltungsgerichtshofs zum Urteil
München, 12. April 2024
Pressemitteilung
BayVGH: Atommüll-Zwischenlager in Gundremmingen
darf weiter genutzt werden
Mit Urteil vom 8. April 2024 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH)
entschieden, dass die atomrechtlichen Genehmigungen für die Aufbewahrung
von Kernbrennstoffen im Standort-Zwischenlager auf dem Gelände des ehemali-
gen Kernkraftwerks Gundremmingen nicht aufgehoben werden müssen.
Ziel der fünf Kläger, die zwischen vier und elf Kilometer vom Zwischenlager ent-
fernt wohnen, war es, das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsor-
gung zur Aufhebung der atomrechtlichen Genehmigungen zu verpflichten.
Der BayVGH hat die Klagen nunmehr abgewiesen. Nach Auffassung des Ge-
richts ist die erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung von
Kernbrennstoffen (z.B. durch Störfälle im Lager, Materialermüdung) sowie der
erforderliche Schutz gegen sog. Einwirkungen Dritter (z.B. gezielte Angriffe von
außen, etwa durch Flugzeugabstürze) auf das Zwischenlager hinreichend ge-
währleistet. Die Einlagerung der Kernbrennstoffe in den CASTOREN sei für die
genehmigte Lagerdauer von 40 Jahren hinreichend sicher. Das Zwischenlager
müsse nicht eigens gegen den zufälligen Absturz eines schnell fliegenden, mit
Bomben bewaffneten Militärflugzeugs während eines Übungsflugs geschützt
werden, weil ein solches Szenario extrem unwahrscheinlich sei. Militärische
Übungsflüge mit „scharfen“ Bomben würden nur ganz ausnahmsweise und nicht
in der Region des Zwischenlagers durchgeführt. Mit Blick auf eventuelle zielge-
richtete Angriffe Dritter auf das Zwischenlager stützt das Gericht seine Beurtei-
lung auf verschiedene behördlich eingeholte und im gerichtlichen Verfahren erläu-
terte Gutachten. Selbst bei Einsturz des Lagergebäudes infolge eines absichtlich
herbeigeführten Absturzes eines großen Verkehrsflugzeuges (z.B. Airbus A380)
würden die CASTOREN laut Gutachten den auftretenden mechanischen und
thermischen Belastungen so weit standhalten, dass radioaktive Strahlung allen-
falls in äußerst geringem Umfang austreten würde. Durch die ab 2014 umgesetz-
ten baulichen Maßnahmen sei das Zwischenlager zudem so gut gegen das Ein-
dringen von Personen geschützt, dass unmittelbare Angriffe auf die CASTOREN,
etwa mit panzerbrechenden Waffen, bis zu dem Zeitpunkt ausgeschlossen seien,
bis die Polizei vor Ort sei und ihrerseits gegen die Angreifer vorgehen könne.
Gegen das Urteil können die Kläger Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Revision zum Bundesverwaltungsgericht einlegen.
(BayVGH, Urteil vom 8. April 2024, Az.: 22 A 17.40026)
Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den BayVGH nicht bindet
Dokumentation der PM des Verein FORUM Gemeinsam gegen das Zwischenlager und für eine verantwortbare Energiepolitik e.V.
Pressemitteilung 12. April 2024
BayVGH hat die Klagen gegen die Betriebsgenehmigung des größten deutschen Atommülllagers abgewiesen
Umweltminister, wie wollen Sie die Menschen schützen? Die Richterinnen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs haben die Megagefahren des Zwischenlagers Gundremmingen nicht wahrhaben wollen. Jetzt muss die Staatsregierung endlich die Menschen schützen! Sie ist die atomrechtliche Aufsichtsbehörde.
Fünf Nachbarn hatten im August 2017 mit der Unterstützung unserer Bürgerinitiative gegen die Betriebsgenehmigung des Zwischenlagers Gundremmingen geklagt. Schon in der mündlichen Verhandlung am 7.12.23 vor dem obersten bayerischen Verwaltungsgericht, dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), war zu spüren, dass die zwei Richterinnen unsere Klage abweisen wollten.
Das Bild im Verhandlungssaal zeigte noch einmal den Atom-Goliath: Etwa fünf MitarbeiterInnen der Beklagten, des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und ihre drei Anwälte der Kanzlei Becker Büttner Held (BBH). Mehrere Sachverständige vom TÜV Süd und TÜV Nord sowie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS). Mehrere Vertreter der Bundesgesellschaft für Zwischenlager, Vertreter des bayerischen Umweltministerium sowie der merkwürdigen Landesanwaltschaft. Der Atom-Goliath umfasste mehr als 30 Personen.
Bald wurde durch die Gesprächsführung der Vorsitzenden Richterin Gerda Zimmerer und auch die Einwürfe der Berichterstatterin Dr. Bettina Meermagen (der beisitzende Richters Florian Schlämmer zeigte sich neutral) klar, dass sie formaljuristische Gründe festmachen wollten, um unsere Klage abzuweisen. Unsere Klage sei nicht fristgerecht ausreichend begründet worden. Unsere Erwiderung, dass wir in der Klage auf Gefahren hingewiesen haben und dann die Vorlage der Akten gefordert haben, in denen laut BASE die Sicherheit des Zwischenlagers belegt würde, um unsere Klage dann substantiell begründen zu können, wurde von Frau Zimmerer weggewischt.
Die Aufsichtsverantwortung für die Atommülllagerung liegt beim Bay. Umweltminister
Nach dem Atomgesetz war das Bundesamt BASE Genehmigungsbehörde und hat der Landesumweltminister die Aufsicht. Im Verfahren wurde die Landesregierung durch die Landesanwaltschaft vertreten. Diese äußerte ausdrücklich ihre Zustimmung zur Atommülllagerung.
Die Gefahren der Atommüll-Lagerung in Gundremmingen und in den 15 anderen oberirdischen Zwischenlagern mit hochradioaktiven AKW-Abfällen
- Die Gefahr überraschender Terrorangriffe ist weltweit größer geworden. Stand schon bei unseren schriftlichen Einwendungen gegen die Errichtung des Gundremminger Zwischenlagers im Frühsommer 2001 – also vor dem wahnsinnigen Anschlag mit Flugzeugen auf das New Yorker Welthandelszentrum – die Sorge vor Anschlägen an oberster Stelle, so steigern viele nachfolgende Ereignisse noch unsere Sorgen. Zuletzt die plötzliche Attacke der Hamas (wobei das Verhalten Israels seit Jahren das Pulverfass durch Drangsalieren der Palästinenser und Verweigern einer Zweistaatenlösung gefüllt hatte). Davor der imperialistische Angriff Russlands auf die Ukraine, was zu einem für viele von uns nicht mehr für möglich gehaltenen Krieg in Europa geführt hat. Wobei auch erstmals in der Geschichte ein AKW militärisch besetzt wurde. AKW und ihre Atommülllager sind Atomminen, in denen unvorstellbar viel Radioaktivität steckt. Damit können Landkreise und Regionen verstrahlt und unbewohnbar gemacht werden.
- Schon bald nach dem um die Jahreswende 2005/2006 ergangenen ersten Urteil des BayVGH wurden Ablehnungsbegründungen des Gerichts gegenstandslos. So hatte das Gericht argumentiert, dass ein absichtlicher Flugzeugabsturz ausgeschlossen werden könne, da eine Entführung durch die Kontrollen am Flughafen verhindert würde und dann auch noch das Luftsicherheitsgesetz den Abschuss eines entführten Flugzeugs ermögliche.
Doch im Mai 2007 deckte die EU-Kommission durch ihre Inspekteure auf, dass am Münchner Flughafen kein einziger Einschmuggeltest von Waffen entdeckt wurde. Ähnlich später am Frankfurter Flughafen. Schon wenige Wochen nach dem Münchner Urteil wurde zudem vom Bundesverfassungsgericht beschlossen, dass die Ermächtigung im neuen Luftsicherheitsgesetz zum Abschießen von zivilen Flugzeugen, verfassungswidrig ist.
- Den kriegerischen Staaten und auch ihren Terroristen verfügbaren Waffen wurden in den letzten Jahren präziser, weitreichender und explosiver. Es gibt keine Untersuchungen, die die Sicherheit von Zwischenlagern und Castoren beim Angriff mit solchen Waffen belegen würden.
- Immer brisanter werden auch die Hackerangriffe. Damit können geheime Informationen eingesehen und Sicherheitssysteme manipuliert werden. Im Jahr 2010 berichteten Medien, dass bei einem Cyber-Manöver der Nato es gelungen sei, eins von zwölf angegriffenen AKW zu sprengen.
- Das Zwischenlager in Gundremmingen soll ebenso wie die anderen ZL in Deutschland bis ins nächste Jahrhundert bestehen. Dann frühestens kann nach Planung der Bundesgesellschaft für Endlagerung ein tiefengeologisches Endlager die Castoren aus den ZL „entsorgen“.
- Klarstellung: Die Landesanwaltschaft, die von sich sagt, sie sei die Vertreterin des öffentlichen Interesses, aber in Wirklichkeit die Landesregierung vertritt, sagte gegen Ende der Verhandlung, sie schließe sich den Ausführungen des beklagten Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) voll umfänglich an.