Das „Jahrhunderthochwasser“ war keine Naturkatastrophe!
Nur 11 Jahre nach der Hochwasserkatastrophe 2002 traten Donau, Elbe und zahlreiche weitere Flüsse in einem Ausmaß über ihre Ufer, das manche Orte noch nie erlebt haben. Das Ausmaß der Zerstörungen etwa in Passau, Deggendorf, Halle und weiten Landstrichen Sachsen-Anhalts wird erst nach und nach klar.
Prof. Dr. Mojib Latif vom Helmholtz Centre for Ocean Research Kiel stellte dazu unlängst fest: Die Stärke und Häufigkeit von extremen Wetterereignissen wie Starkregen hat im letzten Jahrzehnt messbar zugenommen. Ursache dieser verhängnisvollen Entwicklung ist der sich beschleunigende Klimawandel.
In diesen Tagen geht es natürlich um die unmittelbaren Hilfen für die Menschen, deren Wohnungen oder berufliche Lebensgrundlagen zerstört worden sind. Bevor die mediale Aufmerksamkeit aber zum nächsten Thema wandert, muss eine breite Diskussion über die Ursachen der Katastrophe beginnen, die in der herrschenden Politik zu suchen sind.
Da ist zunächst auf die Versäumnisse nach dem Hochwasser 2002 hinzuweisen. Natur braucht mehr Raum, um dem Hochwasser langfristig entgegenzuwirken. Auen und Moore müssen als Wasserrückhalteflächen erhalten bleiben. Vielerorts muss der Raum, in dem sich Hochwässer gefahrlos auffangen lassen, erst wieder hergestellt werden. Darüber ist 2002 viel geredet worden, getan wurde – wie wir heute sehen – viel zu wenig.
Acht Milliarden Euro sollen für die Hochwasseropfer zur Verfügung gestellt werden und ein ernsthafter Hochwasserschutz wird ebenfalls mehr Geld kosten als bisher eingeplant war. Woher nehmen? Es gibt eine einfache Lösung: Einige Fregatten, Korvetten, Eurofighter, A400-Transportflugzeuge usw. für die Bundeswehr weniger (besser noch: gar keine) und schon stehen viele Milliarden für den wirklichen Schutz der BürgerInnen zur Verfügung.
Zunehmend dramatisch ist die Klimaentwicklung, welche die Stärke und Häufigkeit von Starkregen, Dürrephasen, Hitzeperioden, heftigen Stürmen usw. deutlich zunehmen lässt. Die etablierten Parteien, allen voran die Regierungskoalition, werden auch weiterhin behaupten, Deutschland sei Klimaschutzweltmeister, nur die Anderen – vor allem die „bösen Chinesen“ – zögen nicht mit. In den wichtigsten Bereichen geht die Entwicklung in Deutschland allerdings in die falsche Richtung. Das gilt besonders in der Energiepolitik. Die „Energiewende“ ist in aller Munde, aber es werden neue Steinkohle- und sogar Braunkohlekraftwerke in Betrieb genommen. Die Verstromung von Kohle ist aber eine der Hauptursachen für die globale Erwärmung. Die Folgen einer Erwärmung des globalen Klimas um 2 Grad Celsius wird von WissenschaftlerInnen für gerade noch beherrschbar gehalten – die Prognosen für die Klimaentwicklung bis Ende dieses Jahrhunderts (ein Menschenleben) sehen eine Erwärmung um 4 – 6 Grad, wenn es nicht zu einer raschen grundlegenden Umkehr kommt. An der Politik, die unverdrossen auf Kohleverstromung setzt, verdienen vor allem die großen Energiekonzerne: In Hamburg Vattenfall und E.on. Vattenfall produziert seinen Strom ganz überwiegend aus Braunkohle (und will auch an Atomkraftwerken festhalten). Statt neuer Kohlekraftwerke ist ein Kohleausstiegsgesetz erforderlich, das die Stilllegung aller Kohlekraftwerke bis spätestens 2040 regelt.
Die aktuelle Hochwasserkatastrophe sollte den Senat und die SPD-Mehrheit in der Hamburger Bürgerschaft endlich zur Vernunft kommen lassen. Der Senat muss seine Kumpanei mit Vattenfall und E.on beenden. Die Energieversorgung, ein wichtiger Teil gesellschaftlicher Daseinsfürsorge, muss den Energiekonzernen entzogen werden. Als erster Schritt müssen in Hamburg die komplette Fernwärmeversorgung und die Strom- und Gasnetze wieder in die öffentliche Hand übernommen werden, wie es die Volksinitiative Unser Hamburg – unser Netz seit drei Jahren fordert. Sollte der Senat sich nicht vor dem Hintergrund auch der Hochwasserkatastrophe besinnen, sind alle Hamburgerinnen und Hamburger aufgerufen, die Entscheidung selbst in die Hand zu nehmen und beim Volksentscheid am 22. September 2013, dem Tag der Bundestagswahl, für eine 100%ige Übernahme der Energienetze in die Hand der Stadt zu stimmen.
Gilbert Siegler, 6/2013
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