Hintergründe zum Rücktritt von Hamburgs Verdi-Chef Wolfgang Abel
Die Rücktrittserklärung von Hamburgs Verdi-Chef Wolfgang Abel am Montag hat für viel Überraschung gesorgt. Auf umweltfairaendern.de war darüber erstmals berichtet worden. Doch in den Medien wird bislang lediglich die auf umweltfairaendern gestern veröffentlichten Erklärungen von Abel Bezug genommen und wieder gegeben. Sowohl im Abendblatt als auch in der Welt wird dabei eher die Darstellung Abels übernommen. Wer mehr über die Hintergründe der Auseinandersetzungen wissen will, sollte sich die Mühe machen, einen Artikel im Labournet von Nadja Rakowitz zu lesen, der bereits im Oktober 2013 in der Zeitschrift Express veröffentlicht wurde.
Detailliert wird dort der Verlauf um die Aufnahme der Lampedusa-Flüchtlinge und die folgenden heftigen Kontroversen bis hin zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen innerhalb von Verdi dargestellt. Maßnahmen, die viele Gewerkschaftsfunktionäre gegen Wolfgang Abel aufbrachten und zu einem Beschluss des Landesbezirksvorstandes führten, der den Chef in die Schranken wies.
- Siehe dazu auch: Verdi Hamburg – Die Flüchtlinge und der Volksentscheid “Unser Hamburg – Unser Netz”
Chance für Neustart
Eines vorweg: Es braucht für die Beschäftigten im Hamburger Dienstleistungsbereich eine starke Gewerkschaft. Der Rücktritt von Wolfgang Abel muss jetzt als Chance angesehen werden, die inneren Konflikte der letzen zwei Jahre aufzuarbeiten. Wichtig ist dabei, dass Verdi im Angesicht der kontroversen Zusammensetzung (Verdi ist aus zahlreichen Einzelgewerkschaften (Druck und Papier, ÖTV, Postgewerkschaft, Handel und Banken etc. mit unterschiedlichen politischen und kulturellen Orientierungen entstanden) offene Diskussionen und Klärungen betreibt und eigenständig sowohl für die Beschäftigten als auch gesellschaftspolitisch gemeinsame Perspektiven entwickelt, die für eine starke Vertretung der ArbeitnehmerInnen sorgt. Das erfordert auch, dass die Gewerkschaft sich parteiunabhängig aufstellt.
Instrumentalisierungen….
Der Streit um den Umgang von Verdi mit den Lampedusa-Flüchtlingen, aber auch um den Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze (Unser Hamburg – Unser Netz) sowie um die Elbvertiefung waren Hintergrund für erhebliche innergewerkschaftliche Auseinandersetzungen mit dem von Wolfgang Abel praktizierten Führungsstil und seinem Versuch, Verdi enger an die Politik der Hamburger SPD-Spitze zu binden. Selbstkritische Hinweise von Abel über eigene Fehler sind in der Rücktritts-Erklärung (PDF) nicht zu finden. Stattdessen hätten andere die Dienstleistungsgewerkschaft für ihre Zwecke instrumentalisiert.
Abel war im Sommer 2012 als Nachfolger von Wolfgang Rose zum neuen Verdi-Chef gewählt worden. Seit dem verschärften sich die Konflikte innerhalb der sehr vielfältigen Gewerkschaft zusehends. Während z.B. Wolfgang Rose in der Frage des Volksentscheids „Unser Hamburg – Unser Netz“ eine neutrale Politik der Verdi-Führung betrieb, weil es innerhalb der Gewerkschaft nicht nur Kritiker aus dem entsprechenden Fachbereich, sondern auch eine große Zahl Unterstützer gab. Um die Konflikte nicht zu verschärfen, blieb der Vorstand „neutral“. Wolfgang Abel hielt sich zwar letztlich an diese Linie, hatte aber durchaus versucht, den Eindruck zu vermitteln, das Verdi als Gesamtorganisation gegen den Volksentscheid ist und sich einseitig zugunsten der Position des zuständigen Fachbereichs ausgesprochen: In der Mitgliederzeitung und online schrieb Abel z.B.: Vielfalt nach innen – Klarheit nach außen. (Siehe dazu auch gleich unten den Link: Pro und Contra…) Für viele Volksentscheids-BefürworterInnen innerhalb von Verdi war das durchaus ein Affront.
Dabei spielt innerhalb der Gewerkschaften das Thema öffentliche Beschäftigung/Rekommunalisierung eine grundsätzlich herausragende Rolle. Auch der zuständige Fachbereich 02 begründete seine Haltung gegen den Volksentscheid immer auch mit Blick auf diese zentrale Position! Wenn man so will, ist diese Thema eines der Grundüberzeugungen nicht nur innerhalb von Verdi. Umso mehr berührte das Thema „Unser Hamburg – Unser Netz“ also einen wichtigen Identifikations-Punkt vieler GewerkschafterInnen!
Für weiteren Ärger in dieser Sache sorgte wenig später eine Veranstaltung der Betriebsräte von Vattenfall und E.on. Eigentlich eine Veranstaltung mit Unterstützung des Fachbereichs 02, in dem bei Verdi vor allem die E.on-Beschäftigten organisiert sind, war der Einladungsflyer mit dem Verdi-Logo (ohne Einschränkung) versehen. Für viele ein weiterer Versuch des Vorsitzenden, den Eindruck zu erzeugen, als sei Verdi insgesamt Bestandteil der Kampagne von SPD, Handelskammer und anderen gegen den Volksentscheid. Erst nach massiven Protesten stellte Abel klar, dass das natürlich nur eine Veranstaltung des betroffenen Fachbereichs wäre.
Dabei ging es nicht nur um die Form, sondern auch um die Inhalte. Die Veranstaltung war als „Hamburger Arbeitnehmer im Energiedialog“ ausgewiesen. Jenseits der Betriebsräte war jedoch als einziger „Dialog-Partner“ Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz geladen. Nach seinem Auftritt sollte die Veranstaltung nach einer „Zusammenfassung der Diskussionsergebnisse“ in einer „gemeinsamen Erklärung“ münden. Kein Wunder also, dass viele Verdi-Volksentscheids-Befürworter heftig reagierten und Wolfgang Abel kritisierten. Die Forderung, dass ein solcher Dialog auch mit Volksentscheids-Befürworter zu führen wäre, wurde jedoch schlicht abgelehnt.
Es wäre sicher gut, wenn auch bei Verdi eine Auswertung des Volksentscheids erfolgt. Denn: Der Volksentscheid „Unser Hamburg – Unser Netz“ ist nicht nur durch Stimmen gewonnen wurden, die der Linken oder den Grünen nahestanden. Mehr als die Hälfte der rund 440.000 Stimmen für die Rekommunalisierung müssen aus dem Lager der SPD-WählerInnen gekommen sein. Trotz der massiven Kampagne der SPD-Spitze verweigerten die SPD-WählerInnen also die Gefolgschaft und wählten damit gegen die Führung durch Olaf Scholz. Ein Hinweis sicherlich auch in die Richtung, dass ein Kurs innerhalb von Verdi, der die Gewerkschaft einseitig an die Seite der SPD-Spitze zu orientieren versuchte, in jedem Fall zu erheblichen Auseinandersetzungen führen musste.
- Volksentscheid Hamburg: SPD-Führung konnte die eigenen WählerInnen nicht vom Nein zur Rekommunalisierung überzeugen.
- Hamburger Volksentscheid: IG Metall, Verdi und IG BCE antworten auf Vorwürfe
Bis heute findet sich auf der Homepage von Verdi-Hamburg nicht einmal eine Pressemitteilung zu diesem Schritt von Abel. Der NDR verwies gestern in einem Beitrag: „Kurios: Abels Erklärung dazu findet sich auf dem privaten Blog (gemeint ist dieser Blog) … Auf den Seiten von ver.di ist hingegen bislang kein Wort darüber zu finden.“ Das gilt immer noch.
Siehe zu den genannten Konfliktfeldern im einzelnen auch:
- Volksentscheid Energienetze Hamburg: Gewerkschaften und Betriebsräte schalten auf “Blind” und folgen SPD-Bürgermeister Scholz
- Ver.di und der Hamburger Volksentscheid Energienetze: Pro und Contra zur vollständigen Rekommunalisierung
- Elbvertiefung: Hamburg geht doch nicht unter?
- Elbvertiefung – Betriebsgruppe kritisiert Bezirksvorsitzenden
- Volksentscheid Hamburg: GewerkschafterInnen für Rekommunalisierung der Energienetze in Hamburg
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