Die Endlagersuche für hochradioaktiven Atommüll wird in Deutschland gerade angeblich neu gestartet. Immer wieder wird der Anti-Atom-Bewegung gedroht: Wenn ihr jetzt nicht mitmacht, dann kommt das Zeugs vielleicht doch noch ins Ausland. Abgesehen davon, dass es eine etwas komische Drohung an die Anti-Atom-Bewegung ist: Wer sind diejenigen, die den Atommüll ins Ausland verschieben wollen? Etwa die rot-grüne Landesregierung in NRW, die jetzt über 150 Castoren mit hochradioaktivem Atommüll aus der Forschungsanlage Jülich in die USA verschiffen will, weil sie sonst keine Idee hat, wo der Strahlenabfall sonst gelagert werden soll? Oder etwa die URENCO in Gronau (ebenfalls NRW), die ihren „Wertstoff“ – abgereichertes Uran aus der Anreicherung – jahrelang nach Russland verschoben hat, wo er bis heute unter abenteuerlichen Bedingungen gelagert wird? Das ganze mit Erlaubnis und Duldung von Landes- und Bundesregierung. Der Atomkonzern EnBW hat untersuchen lassen, was es kostet, Atommüll in Russland zu lagern. Der Deutschlandfunk hat vor einigen Tagen ein Feature gesendet: „Radioaktive Abfälle – Aus den Augen, aus dem Sinn – Deutscher Atommüll in Russland“ von Laura Döing und Olga Kapustina.
Hier als Audio-Link: Aus den Augen, aus dem Sinn (MP3)
Im Teaser des DLF heißt es: „Die Suche nach einem geeigneten Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland beginnt wieder von vorne. Im Geheimen wurde bereits nach Optionen im Ausland gesucht, auch in Russland. Obwohl der Export offiziell politisch nicht erwünscht ist – Spuren gibt es dennoch: vertrauliche Kostenpläne eines deutschen Energiekonzerns, die Ersparnisse durch den Export aufzeigen, russische Ministeriumspapiere, die mit den zahlungskräftigen Kunden aus Deutschland kalkulieren.
Das Feature folgt diesen Spuren in Deutschland und Russland, die bis an den Zaun der geschlossenen Stadt Krasnojarsk-26 führen, einem Zentrum der russischen Atomindustrie, und bis in die Vorstandsetage der deutschen EnBW in Karlsruhe.“
Manuskript zur Sendung: Aus den Augen, aus dem Sinn (PDF)
Aus den Augen, aus dem Sinn (Rechercheblog von Laura Döing & Olga Kapustina)
Russland ist tatsächlich nicht die feinste Adresse. Aber mal unabhängig gedacht: Warum wollen wir unseren Atommüll bei unbedingt uns lagern? Das wird gar nicht möglich sein, weil wir im Konsens mit der örtlichen Bevölkerung kein Endlager in Deutschland finden werden. Warum verkaufen wir unseren Atommüll nach Stillegung unserer AKWs nicht an ein Land, das weiterhin auf Atomkraft setzt, das weiterhin AKWs betreibt, das weiterhin selber Atommüll produziert? Die können dann doch unseren Rest-Atommüll zusammen mit ihrem laufend weiter produzierten Atommüll endlagern. Es müsste ein Land sein, das gewisse Standards der Endlagerung einhält. Also nicht Russland.
Lieber Hans,
ich frage mich a. was an deinem Hinweis „unabhängig“ ist, vor allem aber b. ob du das wirklich ernst meinst. Ich würde ein solches Vorgehen, wie du es hier schreibst für unverantwortlich in jeder Hinsicht halten. Es ist eben eine große Aufgabe, dieses Problem hier im gesellschaftlichen Konsens zu lösen. Daher stellen wir ja so hohe Anforderungen hinsichtlich der Beteiligung der Bevölkerung beim Thema Atommüll und dauerhaft sichere Lagerung. Es müssen eben von Anfang an alle BürgerInnen bei dieser Frage im Boot sein!
Beste Grüße
Dirk Seifert
Hallo Dirk,
a) mit unabhängig meine ich: unbeeinflusst von dem, was alle immer mantra-artig wiederholen
b) ja, ich meine es ernst. „Wir“ tragen nicht die Verantwortung für das Vorhandensein und die weitere Produktion von Atommüll, sondern das tun die Betreiber (die ja gerade versuchen, die Verantwortung an „uns“ loszuwerden).
Es wird nicht gelingen, gesellschaftlichen Konsens herbeizuführen. Und ich bezweifle, dass wir in Deutschland einen Ort haben, an dem der Müll über sehr lange Zeiträume sicher gelagert werden kann. Vielleicht muss es im Endeffekt eine internationale, globale Lösung für die Endlagerung geben.
Hans