Spiegel-Autoren und ein „Riss durch die Anti-Atom-Bewegung“: 2 mal 3 macht 4 widdewiddewit…

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Screenshot Youtube Pippi Langstrumpf. 2 x 3 macht 4 widdewiddewit ….

„2 mal 3 macht 4 widdewiddewit und 3 macht neune, ich mach mir die Welt widdewidde wie sie mir gefällt…“ Warum fällt mir diese Textzeile ein, wenn ich den Artikel von Matthias Jauch und Gerald Traufetter im aktuellen Spiegel unter der Überschrift „Ewiger Protest“ lese? Kein Ahnung. Von einer „Fehde in der Anti-AKW-Bewegung“ ist dort die Rede,  die niemand „so zu spüren (bekommt) wie der Umweltminister“ Robert Habeck. Da müssen die Autoren ein paar Konjunktive einbauen, um ihre These von einem „Riss durch die Anti-AKW-Bewegung“ herbei zu schreiben, ein Konflikt, der „längst auch die Umweltverbände erreicht“ hat, namentlich den BUND. Dann noch ein wenig Realität biegen und die Sache passt.

  • Der Artikel „Ewiger Protest“ ist bislang nicht kostenlos online verfügbar. Gut wer z.B. als Mitglied der öffentlichen Hamburger Bücherhallen Zugriff auf die Genios-Presse-Datenbank hat. Wer sich dort mit seinen Zugangsdaten einloggt, kann den Text unter diesem Link lesen. Wer den Spiegel-Artikel online kaufen will, kann das hier tun. Siehe außerdem hier über einen der Autoren im Lügendetektor der Klimaretter.

Die beiden Autoren stilisieren eine Veranstaltung in Kiel, auf der nicht nur Anti-Atom-Gruppen und Umweltverbände anwesend waren, sondern auch zahlreiche BürgerInnen betroffener Deponiestandorte, VertreterInnen aus Kommunen, vom Städtetag und von der Entsorgungsbranche zu einer „Informationsveranstaltung“, auf der „sich Ressortchef Habeck kürzlich einem Plenum aus Atomkraftgegnern“ stellte.

Die Spiegel-Autoren berichten über die Probleme mit den Abfällen, die beim Rückbau der Atomkraftwerke entstehen. Die sind in geringem Umfang kontaminiert und strahlen, dürfen aber unterhalb von 10 Mikrosievert deponiert oder gar recycelt werden. Was sie nicht schreiben: Schon bei der Einführung dieser Regelung Anfang der 2000er Jahre unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung hagelte es massive Kritik. Strahlenschützer der Ärzteorganisation IPPNW und andere hielten diese unkontrollierte Freigabe vor allem für ein Zugeständnis an die Atomwirtschaft, damit diese sich möglichst billig dieser gering strahlenden Abfälle entledigen könne.

„Neu“ an dem Thema ist, dass nun immer mehr Atommeiler zurück gebaut werden und damit enorme Mengen derartiger Abfälle anfallen. Bundesweit haben die Betreiber erhebliche Probleme, Deponien für diesen Müll zu bekommen (Bislang: Keine!). Schleswig-Holsteins Energieminister hatte sich daher für die AKW-Betreiber an den Start gemacht und wollte mit den sieben Deponie-Betreibern in Schleswig-Holstein die Sache regeln. Die aber verwiesen auf die jeweiligen Kommunen, deren Einverständnis aus Sicht der Entsorgungsunternehmen erforderlich wäre. Vor Ort aber regte sich Bürger-Protest (nicht nur in Schleswig-Holstein), einige Gemeinden wollten diese Abfälle nicht und fassten entsprechende Beschlüsse. Auch die Anti-AKW-Initiativen und Umweltverbände sind gegen die geltende Rechts-Praxis. Sie fordern mindestens eine kontrollierte Ablagerung dieser Bauabfälle unter verbesserten Deponiebedingungen und in jedem Fall ein Verbot der unkontrollierten Freigabe zum Recycling (siehe dazu u.a. den Link oben zur BUND-Studie).

Habeck war auf der erwähnten Veranstaltung sichtbar schlechter Laune, weil sämtliche Beteiligte sich schlicht nicht seinen Spielregeln beugen mochten. Aber: Alle boten an, sich an einem Dialog-Prozess zu beteiligen, um Lösungen bei der Stilllegung der Atommeiler und der dabei anfallenden Abfälle zu finden. Allerdings: Dabei müssten alle Möglichkeiten offen diskutiert und miteinander verglichen werden können. Auch z.B. die Möglichkeit, dass die Abriss-Abfälle evtl. besser vor Ort an den AKWs verbleiben. Denn immerhin würden auch die hochradioaktiven Abfälle in den dortigen Zwischenlagern noch für viele Jahrzehnte vor Ort bleiben.
Als Beispiel für einen guten konsensorientierten Dialog direkt vor Habecks Nase wurde wiederholt der Stilllegungsprozess zur ehemaligen Atomforschungsanlage GKSS, heute Helmholtz-Zentrum-Geesthacht als mögliches Vorbild genannt.

Warum auch immer: Während alle in dem mit rund 100 Gästen gut besuchten Saal sich für einen Neustart eins Dialogs aussprachen, stellte sich einer bockig quer: Der Energieminister.
Was die Spiegel-Schreiber nun aus diesem Sachverhalt machen, ist schon ein gutes Stück Realitäts-Beugung. So finden sie denn auch neben der eher nebulösen Formulierung („einige (lehnen) die Zehn-Mikrosievert-Grenze ab, andere finden es richtig, große Teile des AKW-Schrotts nicht wie Sondermüll zu behandeln“), nur ein namentlich genanntes Ehepaar aus der Nähe des AKW Krümmel, das sie für die These einer schweren Fehde anführen können. „Es sei „irre, wie manche nun reagieren““, wird die Ehefrau zitiert und es gäbe größere Probleme als diese gering strahlenden Abfälle und wie sie deponiert werden.
Nicht eben viel, was die beiden Autoren für den Beleg einer Fehde oder gar eines Risses in der Anti-Atom-Bewegung anzuführen haben. Man gut, dass den Spiegel-Autoren aus anderen politischen Motiven der durchaus schwere Konflikt zur Frage der Beteiligung an der „Endlager“-Kommission nicht wichtig war. Da hätte es durchaus was zu schreiben gegeben.

Dirk Seifert

Ein Gedanke zu “Spiegel-Autoren und ein „Riss durch die Anti-Atom-Bewegung“: 2 mal 3 macht 4 widdewiddewit…

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