Extreme nukleare Sicherheitsanforderungen: Panzerfahrzeuge für hochradioaktive Atomtransporte
Atomanlagen ebenso wie Atomtransporte stehen angesichts der enormen Gefahrenpotentiale auch unter besonderer Beachtung der Sicherheitsbehörden. Aus gutem Grund: Denn nicht nur ein technischer Störfall, sondern auch ein terroristischer Angriff auf einen Reaktor, ein Atommülllager oder einen Castortransport hätte möglicherweise fatale Folgen. Klar ist: Moderne Waffen und schwere Flugzeuge sind ohne weiteres in der Lage, Reaktorgebäude oder Castorbehälter selbst durch dicke Mauern hindurch zu durchschlagen. Angriffe wären heute nicht mehr nur von Staaten zu erwarten. Auch einzelne Gruppen oder „Zellen“ könnte sich die Mittel beschaffen, um erfolgreich derartige Anschläge durchzuführen. In Lubmin/Greifswald muss deshalb ein komplett neues Atommülllager gebaut werden. Und solche Risiken waren einer der Gründe, warum dem Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll in Brunsbüttel per obersten Gerichtsbeschluss die Genehmigung entzogen wurde. Derzeit werden an allen Zwischenlagern sogenannte Härtungen und andere Maßnahmen geplant oder umgesetzt. Wenig ist bekannt, wie die noch in Betrieb befindliche Atomkraftwerke geschützt werden (können). Doch auch für Atomtransporte müssen erheblich größere Sicherheits- und Sicherungsvorkehrungen getroffen werden, weil die Risiken von Anschlägen deutlich höher bewertet werden: Panzer-Fahrzeuge, 130 Tonnen schwer, hochradioaktiv und weit mehr als drei Millionen Euro teuer. Ohne Personalkosten für den Begleitschutz. Zuletzt 11.000 Sicherheitskräfte für einen Castortransport von Nordenham nach Biblis.
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Neben einer massiven Erhöhung von Polizei- und Sicherheitskräften werden für den Transport z.B. von atomwaffenfähigem und hochradioaktivem Uranbrennstoff aus dem Forschungsreaktor Garching in das Zwischenlager Ahaus neue, extrem gepanzerte Fahrzeuge entwickelt. Mit einem Gewicht von deutlich über 100 Tonnen sollen diese Panzer-Fahrzeuge schwerstens bewacht künftig Atomtransporte durchführen. Zum Einsatz könnten diese Fahrzeuge auch für den Transport von über 150 Castorbehältern aus dem ehemaligen Atomforschungszentrum Jülich in das Zwischenlager Ahaus (NRW) oder gar für einen Atommüllexport in die USA kommen (dann zum Umschlagshafen in Nordenham). Der Abgeordnete Hubertus Zdebel hatte zu diesem Thema jüngst im Rahmen der Haushaltberatungen Fragen auf den Weg gebracht (Siehe hier, insbesondere unter Punkt V).
Das Unternehmen, das diese Panzer-Fahrzeuge später einsetzen will, ist die „DAHER Nuclear Technologies GmbH (DAHER)“. Wie genau diese neunachsigen und ca. 130 Tonnen schwere Fahrzeuge konstruiert sein werden, ist natürlich Geheimsache. Aber sie sind im Zusammenhang mit den Jülicher Transporten bereits „Gegenstand laufender atomrechtlicher Genehmigungsverfahren“, heißt es in den Antworten der Bundesregierung. Auch für die Atomtransporte aus Garching natürlich. „Nach Angaben der JEN mbH ist die Fertigung der Zugmaschinen jedoch grundsätzlich abgeschlossen. Aktuell erfolgten spezielle Umrüstungen, deren Abnahme durch Behörde und Gutachter noch ausstünden. Spezifikationen der Zugmaschinen unterlägen der Geheimhaltung“ heißt es dort weiter. Die JEN ist die staatliche Gesellschaft, die sich um die Beseitigung der verstrahlen Atomanlagen und Materialien des Forschungszentrums Jülich kümmert und damit noch Jahrzehnte beschäftigt sein wird.
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Auch zu den Kosten derartiger Panzer-Fahrzeuge hatte der Linken-MdB gefragt und als Antwort mitgeteilt bekommen: „Die Kosten für die drei benötigten Zugmaschinen beliefen sich auf rd. 2,9 Mio. € zuzüglich behördlicher Abnahmekosten. Zusätzlich zu den Zugmaschinen würden für den Transport Tieflader benötigt, deren Kosten derzeit noch nicht abgeschätzt werden könnten, da diese von dem noch zu genehmigenden Schutzkonzept abhingen. Die Kosten sind zu 70 % durch den Bund aus dem Einzelplan 30 und zu 30 % durch das Land NRW zu tragen (Einzelplan des MWIDE).“ Es bleibt nun eher das Geheimnis der Bundesregierung, was denn diese „behördlichen Abnahmekosten“ sein sollen – und warum diese Kosten dann im Konkreten verschwiegen werden.
Wie akut die Problem mit dem Terrorschutz bei den Atomanlagen und -Transporten inzwischen sind, zeigt auch eine jetzt geplante Atomgesetznovelle, zu der die Verbändeanhörung auf Basis eines Referentenentwurfs gerade beendet wurde. Offenbar wollen das für Genehmigungen zuständige Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und das Bundesumweltministerium – vermutlich im Einvernehmen mit den Sicherheitsbehörden – den Terrorschutz jetzt in das Atomgesetz schreiben – mit der Folge, dass Klagen von Anwohner*innen kaum noch möglich sein werden und selbst Richter und Gerichte keine wirkliche Überprüfung mehr durchführen könnten. Greenpeace und der BUND kritisieren massiv, abgestützt auf ein Gutachten des Atom-Rechts-Experten Ulrich Wollenteit, dass die Bundesregierung eine „Entmachtung der Gerichte“ plane. Bei Umweltorganisationen fordert in einem scharfen Ton, dass dieser Entwurf in keinem Fall Gesetz werden darf. Auch der Anwalt Wollteit kritisiert das Gesetzesvorharben scharf und bezeichnet Teile des Referentenentwurfs als verfassungswidrig.
Es geht um gravierende Regelungen, die an die Grenz der Rechtstaatlichkeit gehen. Wollenteit schreibt: „Die in dem Referentenentwurf vorgenommene Konkretisierung des Funktions-vorbehaltsvorbehalts konstruiert für den Bereich von SEWD einen Raum, der letztlich jedweder Rechtskontrolle entzogen ist. Der Entwurf verstößt damit gegen Art. 19 Abs. 4 GG und ist deshalb verfassungswidrig.“
- Neue Atomgesetznovelle: Betroffene ohne Klagerechte – Entmachtung der Gerichte
- Der Autor dieses Textes ist Mitarbeiter im Büro des MdB Zdebel