Französisch-russische Atomkooperation am Standort der deutschen Uranfabrik in Lingen

Französisch-russische Atomkooperation am Standort der deutschen Uranfabrik in Lingen

Die Uranfabrik in Lingen – vom Atomaussstieg ausgenommen – plant die Erweiterung seiner Brennelemente-Produktion für den Einsatz in Osteuropa und Richtung Asien und China. Die Anlage in Lingen gehört zum französischen Atomkonzern Framatom. Seit Jahren ist Frankreich dabei, seine Zusammenarbeit mit dem russischen Staatskonzern Rosatom auszubauen. Auch für die deutschen Standorte in Lingen und Erlangen war zunächst eine Kooperation geplant. Im Frühjahr war ein entsprechender zustimmungspflichtiger Antrag zunächst zurückgezogen worden. Nun wird dieses Projekt unter anderen Vorzeichen fortgesetzt, berichtet die NOZ unter der Überschrift „Brennelemente aus Lingen bald in Osteuropa im Einsatz“ in seiner Ausgabe vom 7.12.2022. Auf der Homepage der zuständigen Genehmigungsbehörde in Niedersachsen, dem grün geführten Umweltministerium, ist ein „Antrag nach §7 AtG für die Fertigung hexagonaler Druckwasser-Brennelemente“ bereits angeführt. Eine Unterrichtung der Öffentlichkeit hat es dazu bislang jedoch nicht gegeben.

Wie absurd oder überfordert die Grünen auch in Niedersachsen in Sachen Atomenergie inzwischen sind, belegt eine Meldung von RTL zu dem Thema. Dort ist zu lesen: „Das Umweltministerium bestätigte als Genehmigungsbehörde Berichte über den Antrag von ANF. Er werde derzeit geprüft. Hergestellt werden sollen demzufolge auch hexagonale Brennelemente, die in den russischen Reaktortypen verwendet werden. Damit sollen die Kraftwerke in Osteuropa unabhängig von russischen Lieferungen werden. Damit wird die Abhängigkeit dieser Reaktoren von Lieferungen von Brennelementen aus Russland gemindert, hieß es aus dem von Minister Christian Meyer (Grüne) geführten Ressort. Dies werde im Sinne des Koalitionsvertrages begrüßt.“ Das ist eine derart verdrehte Darstellung, dass man es nicht wirklich glauben mag.

Der Betreiber der Anlagen in Lingen, die Advanced Nuclear Fuels (ANF) hat beantragt, künftig vor Ort Brennelemente russischer Bauart mit Unterstützung von Rosatom zu fertigen. (Damit hätte ANF gegenüber Westinghouse mit einem Standort in Schweden, einen echten Vorteil. Westinghouse arbeitet seit Jahren daran, Brennelemente russischer Bauart für die Ost-Reaktoren zu entwickeln, kommt dabei aber ohne Hilfe von Rosatom aus.) ANF in Lingen hatte zuletzt Fertigungsmaschinen für die Herrstellung von Brennelementen nach Kasachstan verkauft. Von dort aus soll ebenfalls mit russischer Beteiligung auch China beliefert werden. Fertige Uranbrennstäbe wurden erst vor wenigen Wochen von Lingen aus mit einer Genehmigung durch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorung BASE und der BAFA, die für die Exportgenehmigungen von Kernbrennstoffen zuständig ist, geliefert. Zuletzt hatte es auch direkte Lieferungen von Uran-Brennstoff aus Russland mit Kenntnis der Bundes- und Landesbehörden gegeben. Sanktionen gegen diese Atomdeals mit Russland gibt es seitens der EU nicht.

Die Uranfabriken in Lingen und Gronau sind bis heute vom Atomausstieg ausgenommen und versorgen weltweit Atommeiler mit Uranbrennstoff. Die derzeitige Bundesregierung hat zur ehemals anvisierten Stilllegung dieser Anlagen keine Vereinbarungen im Koalitionsvertrag festgelegt. Nach Aussagen zuständiger Grüner Politiker:innen habe die FDP Maßnahmen einer Vereinbarung zur Stilllegung der Uranfabriken in Gronau und Lingen verhindert. Es gäbe daher im Rahmen dieser Bundesregierung keinerlei Grundlage, um Pläne aus der Zeit des SPD-geführten Umweltministeriums in der letzten Legislatur jetzt umzusetzen. Dass das Umweltministerium jetzt auf Anfrage von Bürgerinitiativen davon spricht, dass der Atomaussstieg in Deutschland „glaubwürdiger“ wäre, wenn die Uranfabriken abgeschaltet würden, ist zwar zu begrüßen. Aber das BMU winkt selbst ab und verweist auf die fehlenden Vereinbarungen innerhalb der Koalition. Auch die Bundestagsfraktion hat zu dieser Thematik in der laufenden Legislaturperiode keine Impulse gesetzt.

Die jetzt bekannt gewordenen Pläne einer engeren Zusammenarbeit zwischen Framatome und Rosatom am Standort Lingen und den damit verbundenen Genehmigungsanträgen bei der Atomaufsicht in Niedersachsen dürften nun für die Grünen den Konflikt um die Atomenergie mit der FDP weiter anheizen.

Dokumenation einer PM vom 8.12.2022 von : Bündnis AgiEL – Atomkraftgegner:innen im Emsland – Elternverein Restrisiko Emsland – Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau – Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen – SOFA (Sofortiger Atomausstieg) Münster – Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg – Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) – IPPNW – Internationale Ärzte*innen für die Verhütung des Atomkriegs / Ärzt*innen in sozialer Verantwortung

Brennelemente und Atomtechnik: Russland, China, Kasachstan, Tschechien, Bulgarien – Deutschland als Basis für massive Ostexpansion von Framatome

 Reaktion der Hannoveraner Atomaufsicht „gefährlich naiv“ – Russland und China weiten Einfluss via Frankreich deutlich aus – Wird Brennelementefabrik Lingen ausgebaut?

 Anti-Atomkraft-Organisationen kritisieren scharf, dass der französische Atomkonzern Framatome aktuell über seine deutschen Standorte in Lingen und Erlangen eine massive Ostexpansion betreibt und dabei den Einfluss Russlands und Chinas auf die Atompolitik deutlich ausweitet. Dabei ist sogar ein Ausbau der Lingener Brennelementefabrik geplant, denn Framatome hat beim Landesumweltministerium in Hannover die Produktion „russischer“ Brennelemente beantragt. Die Anti-Atom-Organisationen fordern vollständige Aufklärung zu den vorliegenden Plänen und eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung. Das Lingener Bündnis AgiEL hat dazu bereits gestern an die Landes-Atomaufsicht geschrieben. Die bisherige positive Reaktion des Ministeriums erscheint angesichts der internationalen Verflechtungen von Framatomes Atompolitik gefährlich naiv.

So ist nunmehr bekannt, dass Frankreich aktuell dem russischen Atomkonzern mit einem Joint Venture Zugang zur Brennelementeproduktion von Framatome gewähren will. Damit gerät auch der Standort Lingen in den Einflussbereich des Kreml. Desweiteren wurde durch Recherchen der Neuen Osnabrücker Zeitung bekannt, dass Framatome via Russland und Kasachstan nunmehr auch chinesische AKW mit Uranbrennstoff beliefern will. Just gestern nahm die neue kasachische Brennelementefabrik Ulba in Ust-Kamenogorsk die Belieferung Chinas auf. Für Lingen wurden im November Lieferungen von Brennstäben via Russland nach Kasachstan genehmigt. Endkunden in China können nach Recherchen der Anti-Atomkraft-Organisationen angesichts des Brennelement-Typs z. B. die beiden von EDF gebauten EPR-Reaktoren in Taishan sein oder aber die von Framatome vor 30 Jahren gebauten Reaktoren in Daya Bay. Sie werden vom staatlichen Atomkonzern CGN betrieben. Brisant: Die US-Regierung hat laut Reuters bereits im Herbst 2021 aus Angst vor einer militärischen Nutzung Uranlieferungen an genau diesen Konzern „ausgesetzt“.

Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtete gestern, dass Framatome nun auch Tschechien mit „russischen“ Brennelementen beliefern möchte. Dazu benötigt Framatome aber die direkte Kooperation von Rosatom. Das gilt auch für Bulgarien. Dort besuchte Ende November der Framatome-Chef Bernard Fontana den bulgarischen Präsidenten, um Brennelement-Lieferungen anzubieten.

Framatome hat zudem im April die Tochter „Framatome Bulgaria“ gegründet, um das bulgarische AKW Kozloduj technisch aufzurüsten. Dafür ist bei Framatome vor allem der bayrische Standort Framatome Erlangen zuständig. Von dort wurde nach Framatomes eigenen Angaben auch bereits beim Bau der kasachischen Brennelementefabrik mit technischer Expertise und Ausrüstung mitgewirkt.

„Die oben aufgezeigte Verflechtung zwischen Framatome und Rosatom sowie mit der chinesischen Atomindustrie – über Kasachstan und dessen umfangreichen Uranbergbau – zeigt deutlich, dass Atomkaft keine „heimische Energie“ ist. Framatome braucht den Konzern Rosatom, um weiter auf dem Atommarkt bestehen zu können. Framatome nutzt zudem die politisch verordnete Laufzeit von 60 Jahren für die beiden bulgarischen Reaktoren ohne Rücksicht darauf, dass das Risiko für schwere AKW-Unfälle mit dem Alter erheblich wächst.    Der Anreiz für die notwendige Energiewende wird zudem verspielt,“ so Dr. med. Angelika Claußen Co-Vorsitzende der IPPNW.

„Die Reaktion des zuständigen Umweltministeriums in Hannover auf die Framatome-Pläne für Lingen ist gefährlich naiv, weil man offensichtlich nicht erkannt hat, wie stark der Einfluss Russlands und dann auch Chinas in dieser zentralen deutschen Atomfabrik wachsen wird. Dagegen ist Chinas Beteiligung am Hamburger Hafen eher eine Petitesse. Hier geht es um extrem sensible Atomtechnologie, die auch militärisch genutzt werden kann. Wir fordern vollständige Aufklärung und eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung. Aus unserer Sicht ist die vom Bundesumweltministerium vorgeschlagene Schließung der Brennelementefabrik Lingen die einzig saubere Lösung, um aus diesem wachsenden Atomdesaster herauszukommen“, ergänzte Alexander Vent vom Lingener Bündnis AgiEL – Atomkraftgegner:innen im Emsland.

  • 21. Januar: Anti-Atom-Kundgebung in Lingen

Für Samstag, 21. Januar, rufen die Anti-Atom-Organisationen zu einer Kundgebung in Lingen gegen die Brennelementepläne und die aktuelle Laufzeitverlängerung für das benachbarte Atomkraftwerk Emsland auf.

Verwendete Quellen:

Weitere Infos:

https://atomstadt-lingen.de/aktuelles, www.ippnw.de, www.bbu-online.de, www.sofa-ms.de

Dirk Seifert

5 Gedanken zu “Französisch-russische Atomkooperation am Standort der deutschen Uranfabrik in Lingen

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