Fachtagung hochradioaktive Atommülllagerung: Längere Lagerung, Terrorgefahren und Krieg – Es braucht neue Sicherheitskonzepte – BMU kündigt Öffentlichkeitsbeteiligung an

Fachtagung hochradioaktive Atommülllagerung: Längere Lagerung, Terrorgefahren und Krieg – Es braucht neue Sicherheitskonzepte – BMU kündigt Öffentlichkeitsbeteiligung an

Fachtagung des unabhängigen Atommüllreports: Die gesamte Atommülllagerung in Deutschland läuft aus dem Ruder, alle bisherigen Terminplanungen sind gescheitert und alle Projekte verschieben sich teilweise um Jahrzehnte in die Zukunft. Das hat gravierende Folgen für die Sicherheit bzw. den Schutz vor Freisetzung von radiokativer Strahlung. Verlängerte Laufzeiten der oberirdischen Atommülllagerung stellen nicht nur hohe technische Anforderungen und müssen erforscht werden. Neue Sicherheitskonzepte müssen auch her, weil die Bedrohungen durch Terrorangriffe seit Jahren zunehmen und neue Abwehrkonzepte erfordern. Der Ukraine-Krieg rückt nun eine weitere bislang wenig beachtete Bedrohung ins Blickfeld. Kiegerische Handlungen gegen Atomanlagen müssen neue Sicherheitskonzepte zur Folge haben: „Derzeit können auch modernere Waffen mit höherer Zerstörungskraft in die Hände von Terrorist*innen gelangen. Für die nächsten 80 Jahre könne man kriegerische Auseinandersetzungen nicht länger aus den Bedrohungsszenarien für die Zwischenlagerung in Deutschland ausschließen“, so wird beim Atommüllreport aus dem Vortrag der Gutachterin Oda Becker berichtet. Becker hat jüngst für den BUND eine Studie zu den Sicherheitsmängeln vorgelegt. Auf einer Fachtagung in Hannover haben Umwelt- und Anti-Atomgruppen unter dem Dach des Atommüllreports sowohl die Mängel der Atommülllagerung (Oda Becker, Marcus Buser) als auch die Risken von anstehenden hochaktiven Atomtransporten in das Zwischenlager Ahaus (NRW) diskutiert (Hauke Doerk, UI München). Höhere Sicherheitsanforderungen und längere Lagerzeiten: Die Atommülllagerung wird immer teurer. Die Atomkonzerne sind aus dem Schneider. Die Zeche für langfristige nukleare Sicherheit zahlen die Bürger:innen, nicht die ehemaligen Atomkonzerne, die gut am Atomstrom verdient haben. Darüber referierte Wolfgang Irrek von der Hochschule Ruhr-West. Mit dabei auch der oberste Atomaufseher aus dem Bundesumweltministerium, Gerrit Neuhaus.

Neben vielen Vertreter:innen von Initiativen aus den AtomMüllStandorten wie Ahaus, Gorleben, Grafenrheinfeld, Grohnde und anderswo, waren auch Vertreter:innen der Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ), des Entsorgungswerk für Nuklearanlagen (EWN, Lubmin), des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base) oder vom Umweltamt Schweinfurt, dem Nationalen Begleitgremium (NBG) bei der Endlagersuche sowie des Planungsteams Forum Endlagersuche bei der Fachtagung in Hannover dabei. Mit Gerrit Neuhaus stellte sich auch das Bundesumweltministerium der notwendigen Diskussion über Konzepte für den weiteren Umgang mit radioaktiven Abfällen. Tageschau24 berichtete live von der Fachkonferenz und mit einem Einspieler zu den Atommüll-Risiken.

In ihrem Vortrag stellte die Physikerin Oda Becker neben vielen wichtigen Kritikpunkten auch die „neuen“ Gefahren durch Terrorangriffe und insbesondere von Atomanlangen im Zusammenhang mit Krieg in den Blickpunkt. Der Krieg Russlands in der Ukraine ist verbunden mit Aktionen gegen die Atomanlagen in Tschernobyl und vor allem in Saporischschja. Die extremen Risiken sind nicht nur mit Blick auf direkte Angriffe mit Waffen zu beachten. Auch indirekte Folgen wie das Versagen der Kühlung durch Stromausfall im Netz oder von Notstrommotoren könnte zu katastrophalen Ereignissen mit der Freisetzung von Radioaktivität führen. Oda Becker sprach in ihrem Vortrag auch von Waffen mit „thermobarischen Gefechtsköpfen“, von denen eine besondere Gefahr ausgeht, weil sie nicht nur extreme Druckwellen, sondern auch hohe Temperaturen erzeugen.

In ihrem Vortrag erläuterte Oda Becker zum Punkt: „Unzureichender Schutz gegen Terrorangriffe und kriegerische Einwirkungen (3)“ und führte aus:

  • Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind Szenarien eingetreten, die bisher als kaum realistisch galten. Eine neue Risikobewertung muss derartige Szenarien einbeziehen.
  • Für einen längeren Zeitraum ist es schwieriger, kriegerische Auseinandersetzungen bei den möglichen Bedrohungsszenarien auszuschließen.
  • Auch wenn die kriegerische Auseinandersetzung nicht auf dem jetzigen deutschen Staatsgebiet stattfindet, müssen die zusätzlichen Gefahren Berücksichtigung finden,
    u.a.:
    –  Absturz einer mit Waffen geladenen Militärmaschine betrachtetet werden.
    –  Auch modernere Waffen mit höherer Zerstörungskraft als bisher von der Behörde unterstellt wurde, könnten in die Hände von Terroristen gelangen und eingesetzt werden.
    • Einsatz von fernsteuerbaren Drohnen, die mit Sprengstoff beladen sind, Teil von Kriegsrealität.
    • Große Gefahr geht von thermobarischen Gefechtsköpfen aus.

Auf Nachfragen von umwelFAIRaendern, kündigte Gerrit Niehaus vom BMU an, dass im nächsten Jahr eine Überarbeitung des Nationalen Entsorgungsprogramms ansteht. Darin muss die Bundesregierung gegenüber der EU erklären, wie sie mit den nukleare Abfällen aus der Atomenergie künftig umgehen will. Diese Überarbeitung, so Niehaus werde mit einer „Strategischen Umweltprüfung“ (SUP) verbunden sein, gab der oberste Atomchef im BMU bekannt. Er deutete dabei an, dass angesichts der vielfältigen Probleme nicht nur eine verbesserte Transparenz, sondern möglicherweise eine intensivere Öffentlichkeits als bislang erfolgen könnte. In der Abschlussdiskussion sprach er direkt die Sachverständige Oda Becker an, an einem solchen Prozeß teilzunehmen.

Immer wieder hatten nicht nur Anti-Atom-Organsationen gefordert, nicht nur bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle eine breit aufgestellte Beteiligung der Öffentlichkeit entlang eines wissenschaftlich dominierten Vorgehens der Behörden und Unternehmen zu betreiben, sondern dies auch auf die Zwischenlagerung dieser Abfälle sowie auf die Probleme mit den leicht- und mittelaktiven Abfällen auszudehnen. Auch relevante Teile der Endlagerkommission des Deutschen Bundestages und Bundesrats hatten der Bundesregierung und den Parlamenten nahegelegt, zumindest eine deutlich verbesserte Beteiligung der Öffentlichtkeit in diesen Feldern zu ermöglichen. Nicht nur Grüne und Linke, auch die SPD und sogar CDU-Stimmen hatten auf Fachebene hierzu Bereitschaft signalisiert. Mit der Ampel-Koalition ist aber bislang diese Bereitschaft verloren gegangen. Insbesondere die Grünen hatten bislang auf alle Impulse in diese Richtung verzichtet, trotz sich weiter verschärfender Probleme.

Es wird nun darauf ankommen, dass die Ankündigung von Niehaus zu einer verbesserten Öffentlichkeitsbeteilung bei allen Arten von Atommüll im Rahmener einer SUP

Dirk Seifert

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