Atomaustieg? Uranfabrik Gronau: Erhöhung und Modernisierung der Uranproduktion, laufende Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) und bis zu 50.000 Tonnen in einem neuen Uranlager

Atomaustieg? Uranfabrik Gronau: Erhöhung und Modernisierung der Uranproduktion, laufende Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) und bis zu 50.000 Tonnen in einem neuen Uranlager

Nach der Stilllegung der bundesdeutschen Atomkraftwerke sind die Uranfabriken in Gronau und Lingen weiterhin unbefristet in Betrieb. In der Urananreicherungsanlage in Gronau, die zum URENCO-Konzern gehört, laufen Planungen, dass im Rahmen bestehender Genehmigung die Jahresproduktion erhöht werden soll. Dazu sollen auch neue Zentrifugen eingebaut werden, mit denen das für eine nukleare Kettenreaktion spaltbare Uran 235 angereichert wird. Das Unternehmen hat auch angekündigt, eine neues Uranlager in Betrieb nehmen zu wollen. Ein Antrag dazu ist aber noch nicht gestellt, teilt das für die Uranfabrik zuständige grüne Wirtschaftsministerium in Düsseldorf auf Anfrage von umweltFAIRaendern mit. Einzelheiten zu den Zentrifugen sind Geheimsache. Der Grund: Diese Technik ist unkontrolliert dazu in der Lage, atomwaffenfähiges Uran herzustellen. Außerdem läuft derzeit eine umfassende Sicherheitsüberprüfung für die Uranfabrik, die nach dem Atomgesetz alle zehn Jahre durchgeführt werden muss. Aus den Antworten der Atomaufsicht in Düsseldorf auf Fragen von umweltFAIRaendern wird deutlich: Das grüne Wirtschaftsministerium als Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde über die Uranfabrik in Gronau ist weit entfernt, den Atomausstieg durchzusetzen. Im Gegenteil: URENCO – nicht nur in Gronau – ist auf Expansionskurs.

Die Pressestelle des Wirtschaftsministerium in NRW, zuständig für die Uranfabrik in Gronau, teilt auf Anfrage (am 22. August) mit: „Beginn der gemäß § 19a AtG Absatz 3 festgesetzten Periodischen Sicherheitsüberprüfung (alle 10 Jahre) der Urananreicherungsanlage in Gronau wurde als Stichtag der 30.06.2021 festgelegt. Ziel dabei ist eine ganzheitliche aufsichtliche Überprüfung über die letzten 10 Jahre, deren Blickwinkel über die Prüfungen im regulären Betrieb hinausgehen. Auch wird überprüft, ob sich aus dem Erkenntnisfortschritt ggf. weitere ergänzende Sicherheitsanforderungen ergeben würden. Die hierzu ab dem 15.06.2022 zahlreich eingereichten Betreiberunterlagen befinden sich momentan in der Prüfung unter Hinzuziehung von Sachverständigen. Aufgrund der Menge an Prüfkriterien und Unterlagen liegt der Begutachtungszeitraum im normalen Zeitrahmen.“ Die zuletzt formulierte Vermutung von umweltFAIRaendern, dass die Sicherheitsprüfung sich verzögert habe, bestreitet das Ministerium: „Eine Verzögerung im Ablauf kann nicht bestätigt werden.“

umweltFAIRaendern hatte nachgefragt, warum es vom Wirtschaftsminsterium keine besondere öffentliche Ankündigung zur Sicherheitsprüfung gegeben habe. Dazu das Ministerium: „Da es sich gemäß § 19a AtG Absatz 3 um routinemäßige Überprüfungen im Rahmen der Atomaufsicht handelt, sind vor Beginn oder während einer PSÜ keine öffentlichen Informationen vorgesehen worden. Auf die Durchführung einer PSÜ wird auf der Homepage des Wirtschaftsministeriums unter https://www.wirtschaft.nrw/anreicherungstechnologie grundsätzlich hingewiesen. Die Atomaufsicht NRW beabsichtigt darüber hinaus in ähnlicher Weise zu verfahren, so wie dies auch im Rahmen der PSÜ von 2011 geschehen ist. Somit ist vorgesehen, nach Abschluss der PSÜ eine Mitteilung über die Ergebnissen zu veröffentlichen.“

Auf die Frage nach einer möglichen Inbetriebnahme eines neuen Uranlagers, in dem das abgereicherte Uran nicht als Uranhexafluorid, sondern in der stabileren Form U3O8 langfristig aufbewahrt werden soll, erklärt das Wirtschaftsministerium: „Gemäß Angaben des Betreibers sieht die aktuelle Planung vor, in naher Zukunft Uranoxid aus Dekonversionsanlagen zu empfangen und am Standort in Gronau einzulagern. In diesem Zuge kann die Urenco Deutschland das Uranoxidlager als Teil der bestehenden Genehmigung im atomrechtlichen Aufsichtsverfahren nuklear in Betrieb nehmen. Derzeit liegt ein Antrag auf Inbetriebnahme noch nicht vor. Das Uranoxidlager hat eine genehmigte Kapazität von 50.000 t abgereichertem Uran in Form von Uranoxid.“ Weiter teilt die Düsseldorfer Atomaufsicht mit: „Es handelt sich um eine Entscheidung des Betreibers, das Uranoxidlager in Betrieb zu nehmen. Das Uranoxidlager ist bereits im Rahmen des Genehmigungsbescheides vom 14.02.2005 genehmigt und zwischenzeitlich baulich fertiggestellt worden.“

URENCO hatte zuletzt angekündigt, dass auch neue Zentrifugen zur Herstellung des angereicherten Uran montiert werden sollen. Auf die Frage, wie viele Zentrifugen welchen Typs nachgerüstet werden sollen und in welcher Weise sich diese gegenüber den bisherigen unterscheiden und wann dieser Austausch erfolgen wird, welche Genehmigungen für diesen Austausch erforderlich antwortet das MWIKE: „Informationen zur Zentrifugentechnologie unterliegen der Geheimhaltung und dürfen insofern der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden. Generell kann aber gesagt werden, dass ein Austausch von Zentrifugen dem atomrechtlichen Aufsichtsverfahren unterliegt und hierüber überwacht wird.“

URENCO ist ein dreistaatliches Unternehmen und betreibt Anreicherungsanlagen in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und in den USA. Am deutschen Standort in Gronau hatte das Unternehmen jüngst die Kommunalpolitik über die in nächster Zeit geplanten Maßnahmen informiert.

  • Der Bundesverband Bürgerinitativen Umweltschutz hatte im Zusammenhang mit Uranfabrik zuletzt hier (PDF) informiert.

Im August hatte URENCO Gronau  im „Ausschuss für Bauen, Planen und Denkmalschutz“ die mittelfristig geplanten Investitionen am Standort Gronau vorgestellt. Dazu waren Geschäftsführer Dr. Jörg Harren sowie der Anlagenleiter Gronau, Andreas Meyering und Dr. Burkhard Kleiböhmer (,,Senior Advisor“) erschienen. „Sie fußen auf der strategischen Ausrichtung des größten Urananreicherers der westlichen Welt, die da lautet: Expansion“, heißt es in den Gronauer Nachrichten am 12.8.2023. Dabei vertraten die Unternehmens-Vertreter einen deutlichen Pro-Atomkurs und kritisierten den bundesdeutschen Atomausstieg als isoliert.

Laut dem Medienbericht erklärten die URENCO-Mitarbeiter im Ausschuss: „Das Investitionsvolumen bezifferte Harren allein am Standort Gronau mit einem ,,dreistelligen Millionenbetrag“. Hinzu kommt ein deutlicher Personalaufbau. In 2023 habe man bislang 35 neue Mitarbeiter begrüßen können, so der Geschäftsführer, im vergangenen Jahr seien es noch deutlich mehr gewesen. Weitere Einstellungen seien auch in Zukunft geplant.“

Und: „Anlagenleiter Andreas Meyering bezeichnete es als Herausforderung, die weltweit gestiegene Nachfrage nach Trennarbeit zu befriedigen. Urenco komme in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu – auch am Standort Gronau. In der vergangenen Dekade ging das Volumen peu a peu auf zuletzt 3 700 Tonnen zurück. Um diesen Trend umzukehren, plane Urenco auf dem Werksgelände große Investitionen in den nuklearen Betrieb.
Hintergrund: Es soll gewährleistet sein, dass stets genug Zentrifugen-Kapazität am Standort vorhanden ist, um die Wachstumsziele zu erreichen. Die gültige Genehmigung sieht für das Unternehmen bis zu 4500 Tonnen Trennarbeit vor.“

Auch an anderen Standorten der URENCO sollen laut Unternehmensangaben Erweiterungsinvestitionen geplant sein.

Hintergrund für diese Expansion dürfte sein, dass nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine die westlichen Staaten zwar keinen Sanktionen gegen Uran aus Russland verhängt haben, aber mittelfristig den Plan verfolgen, von russsichen Urandienstleistungen für die Atomstrom-Erzeugung unabhängig zu werden. Davon dürfte URENCO mit seinen Anreicherungsfabriken profitieren, in Europa, aber auch in den USA.

Sorgen über ihre Zukunft macht sich die URENCO am Standort in Gronau nicht, obwohl die Grünen in Berlin und Düsseldorf mitregieren, atompolitisch die unmittelbare Verantwortung über den Betrieb der Anlage in Gronau haben. „Der Standort im Stadtosten sei indes ,,essenzieller Bestandteil der Unternehmensstrategie“. Man gehe davon aus, dass eine unbefristete Standortgenehmigung bestehen bleibt“, heißt es Seitens URENCO laut Gronauer Nachrichten am 12. August.

Zwei Tage später berichtet die Zeitung über die Kritik des Gronauer Arbeitskreis Umwelt (AKU) gegen die Erweiterungspläne bei URENO Gronau. Dazu gehört neben grundsätzlichen Dingen, die Anlage endgültig stillzulegen, auch: „Den geplanten Bau einer Halle, in der alte Uranzentrifugen gelagert werden sollen, lehnt der AKU ab.“ Die Artikel vom 12. und 14. August befinden sich hinter einer Pay-Wall.

„Der AKU Gronau, das Aktionsbündnis
Münsterland gegen Atomanlagen, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und weitere Initiativen und Verbände kritisieren zudem, dass es für die Urananreicherungsanlage in Gronau bisher keine  Laufzeitbegrenzung gibt.“

Kritisiert wird nicht nur die URENCO als Betreiber, sondern auch die Grünen, die das Wirtschaftsministerium in NRW anführen und die Atomaufsicht wahrnehmen. Die Gronauer Nachrichten schreiben mit Blick auf den AKU: „„NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur muss jetzt Farbe bekennen, ob sie für oder gegen den Weiterbetrieb der Gronauer Uranfabrik ist. Wir verlangen von ihr gemäß ihrer Aussagen vor der Landtagswahl die Stilllegung der Urananreicherungsanlage. Dann kann weiter gesehen werden, was mit den alten Zentrifugen und sonstigen Anlagenteilen passieren kann“, so der AKU in seiner Pressemitteilung weiter.“

Dokumentation von April 2013

Nach dem Reaktorunglück in Fukushima/Japan im März 2011 hatte die atomrechtliche Aufsichtsbehörde des Landes NRW die periodische Sicherheitsüberprüfung der Urananreicherungsanlage in Gronau (UAG) um zwei Jahre vorgezogen. Der Betreiber Urenco Deutschland hat dazu bis Anfang 2012 etwa 100 Untersuchungsberichte eingereicht. Das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung: Es gibt zur Abwehr von Gefahren oder zur Einstellung des Betriebs der Anlage aus Sicht der Atomaufsichtsbehörde keinen Handlungsbedarf. Gleichwohl sind Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung der Sicherheit der Anlage angezeigt. Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde prüft deshalb fachlich die von den Gutachtern ausgesprochenen Empfehlungen. Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung des Sicherheitszustandes der Anlage werden, wenn sie nicht schon vom Betreiber der Anlage selbst berücksichtigt werden, atomaufsichtlich durchgesetzt.

Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen

Das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk teilt mit:

Nach dem Reaktorunglück in Fukushima/Japan im März 2011 hatte die atomrechtliche Aufsichtsbehörde des Landes NRW die periodische Sicherheitsüberprüfung der Urananreicherungsanlage in Gronau (UAG) um zwei Jahre vorgezogen. Der Betreiber Urenco Deutschland hat dazu bis Anfang 2012 etwa 100 Untersuchungsberichte eingereicht.

Das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung: Es gibt zur Abwehr von Gefahren oder zur Einstellung des Betriebs der Anlage aus Sicht der Atomaufsichtsbehörde keinen Handlungsbedarf. Gleichwohl sind Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung der Sicherheit der Anlage angezeigt. Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde prüft deshalb fachlich die von den Gutachtern ausgesprochenen Empfehlungen.

Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung des Sicherheitszustandes der Anlage werden, wenn sie nicht schon vom Betreiber der Anlage selbst berücksichtigt werden, atomaufsichtlich durchgesetzt.

Bei der Überprüfung wurden alle sicherheitstechnisch relevanten Themen untersucht, die den Standort, die Standorteinwirkungen, die Auslegung und den Betrieb der Anlage sowie die Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen und zur Abmilderung von Unfallfolgen betreffen. Hierbei wurden die radiologischen und chemischen Auswirkungen, die Betriebssicherheit, die Entsorgung und die Stilllegbarkeit der Anlage sowie mögliche Einwirkungen von Außen wie Erdbeben, Flugzeugabsturz und Hochwasser berücksichtigt.

Von der atomrechlichen Aufsichtsbehörde waren als unabhängige Gutachter eingeschaltet: Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit GRS (Köln), Öko-Institut (Darmstadt) und TÜV SÜD (München).

Die Kurzfassungen der Gutachten erhalten Sie von uns auf Anfrage.

Pressekontakt:
E-Mail: Mirjam.Grotjahn@mweimh.nrw.de
Telefon 0211/837-27 50

 

dirkseifert

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